Es gibt unzählige Verschwörungserzählungen und Fake News im Netz. Wie erkennst Du sie? Warum funktionieren sie? Und wie kannst du Dich und andere schützen?

Es ist immer besonders praktisch, wenn eine Geschichte zur eigenen Meinung passt. Deshalb glauben wir vor allem das sehr gerne, was wir gerne hören wollen. Dazu tun wir uns auch schwer mit der Erkenntnis, dass manche Ereignisse tatsächlich nur Zufall sind. Und der „Hausverstand“ und das „gefühlte Wissen“ werden oft viel höher bewertet als wissenschaftliche Fakten.

All das ist nicht nur ein Problem im persönlichen Umgang – etwa, wenn Du wieder einmal eine mühsame Diskussion mit jemandem hast und mit Fakten einfach nicht durchkommst. All das sind gleichzeitig auch enorm wichtige Einfallstore für Fake News und für Verschwörungserzählungen.

Bild: Michael Bonvalot

Was ich Dir im ersten Absatz vorgestellt habe, sind sogenannte „Verzerrungen“, auf Englisch „Bias“. Damit Du sie erkennst und Dich davor Dich davor schützen kannst, möchte ich Dir zu Beginn die wichtigsten Verzerrungen kurz vorstellen:

Wie die Realität verzerrt wird

♦ Der Bestätigungs-Bias: Menschen glauben gern, was zu ihren eigenen Überzeugungen passt. Damit neigen sie in solchen Fällen stärker dazu, auf eine Überprüfung zu verzichten. Ein klassisches Beispiel: Wenn Menschen das Anliegen einer bestimmten Demo gut finden, werden sie eher dazu bereit sein, auch völlig absurde Teilnehmer:innenzahlen zu glauben.

♦ Der Positiv-Bias: Menschen glauben positive Nachrichten besonders gerne und erinnern sich auch besonders gern an positive Dinge. Doch wenn etwas zu schön ist, um wahr zu sein, ist es eben in vielen Fällen auch tatsächlich nicht wahr.

♦ Der Verhältnis-Bias: Wenn ein Ereignis überwältigend ist, muss auch die Erklärung dafür überwältigend sein. Wenn etwa Prominente einfach bei einem Unfall sterben, ist das oft unbefriedigend, deshalb werden Verschwörungserzählungen in die Welt gesetzt. Ein gutes Beispiel dafür ist der Unfalltod der britischen Kronprinzessin Diana Spencer („Lady Di“), hier kursieren bis heute zahlreiche Verschwörungserzählungen im Netz.

Ja, da fliegt ein Flugzeug über der Hofburg in Wien. Nein, das ist kein „Chemtrail“. Bild: Michael Bonvalot

♦ Der Optimismus-Bias: Menschen neigen dazu, sich selbst und ihre Fähigkeiten zu überschätzen. Etwa beim Alkohol am Steuer. Doch das betrifft auch die überschätzte Fähigkeit, größere Zusammenhänge zu durchschauen. Stattdessen wird auf eine „gefühlte Wirklichkeit“, auf subjektive Erfahrungen oder auf den angeblichen „Hausverstand“ gesetzt.

♦ Der Ablehnungs-Bias: Wenn Menschen eine Information lesen, die ihren Ansichten widerspricht, formulieren Sie im Kopf oft bereits ihre Gegenargumente. Deshalb sind sie dann auch weniger offen für Fakten und Quellen.

♦ Der Projektions-Bias: Menschen glauben gerne, dass sie wüssten, wie sie oder andere in der Zukunft verhalten. Daraus folgt dann, dass sie auch gerne glauben, dass andere Menschen ihre Werthaltungen teilen müssten.

♦ Der kognitive Bias: Hier konstruieren sich Menschen ihre eigene subjektive Realität. So werden beispielsweise Vorurteile bestärkt und verankert.

♦ Der Kombinations-Bias: Hier werden künstlich Beziehungen zwischen Dingen, Personen oder Ereignissen hergestellt, die tatsächlich überhaupt nichts miteinander zu tun haben. Oder zwischen Ereignissen, die einfach nebeneinander existieren, ohne sich gegenseitig zu beeinflussen. Um dieses Phänomen zu erklären, gibt es auch das Schlagwort „Korrelation ist nicht Kausalität“.

▶ Am Schluss dieses Artikels findest du 14 Tipps, mit denen du Verschwörungserzählungen und Fake News das Leben schwerer machst!

Was ist eigentlich eine Verschwörungserzählung?

Doch fangen wir mal ganz am Anfang an! Eine tatsächliche Verschwörung ist eine geheime Absprache von mehreren Menschen, die ein gemeinsames Ziel erreichen wollen. Weil dieses Ziel andere Menschen schaden kann oder soll, wird es geheim gehalten.

Die sogenannte Verschwörungstheorie ist damit also die Vermutung, dass es irgendwo eine Verschwörung geben könnte. Und hier beginnt schon ein großes Problem. Denn offensichtlich gibt es ja auch tatsächliche Verschwörungen und Geheimnisse. Wie kann also das eine vom anderen auseinandergehalten werden? Dazu gleich mehr!

Verschwörungstheorie oder Verschwörungserzählung?

In der breiten Öffentlichkeit wird üblicherweise von „Verschwörungstheorien“ gesprochen, wenn das Thema aufkommt. In diesem Artikel wirst Du sehen, dass ich stattdessen den Begriff „Verschwörungserzählungen“ verwendet. Denn der Begriff „Verschwörungstheorie“ hat ein offensichtliches Problem: Da steckt der Begriff „Theorie“ drin.

Nun sind manche Verschwörungserzählungen tatsächlich unglaublich komplex – meistens, weil sie irgendwie ihre zahlreichen Verdrehungen und logischen Fehler „erklären“ müssen. Doch gleichzeitig wird mit dem Begriff „Verschwörungstheorie“ der gesamte Unsinn bereits auf eine scheinbar rationale Ebene gehoben. Deshalb wird hier der Begriff Verschwörungserzählung verwendet.

Die Personen, die solche Erzählungen erfinden und dann verbreiten, sind Verschwörungsideolog:innen. Und sie verdienen meistens richtig viel Geld damit. Auch dazu gleich noch mehr!

Ja, es gibt auch echte Verschwörungen

Das vermutlich berühmteste Beispiel für eine erfolgreiche Verschwörung ist die Ermordung des römischen Diktators Cäsar im Jahr 44 unserer Zeitrechnung. Doch es geht klarerweise auch etwas aktueller. So wissen etwa große internationale Ölkonzerne bereits seit den 1970er Jahren, wie gefährlich die Klimakrise ist.

Energiemultis wie Shell, BP, ExxonMobil oder TotalEnergies verfügen bereits seit mindestens 50 Jahren über detaillierte interne Studien, die die Auswirkungen der Klimakrise enorm präzise vorhersagen konnten. Und trotzdem haben Ölkonzerne danach noch Jahrzehnte die Erkenntnisse ihrer eigenen Klimaforschung vertuscht. Sie haben uns alle angelogen.

Reale Verschwörungen befeuern Verschwörungserzählungen

Der französische Konzern TotalEnergies etwa informierte die eigenen Mitarbeiter:innen bereits 1971: Der Anstieg der Konzentration von Kohlendioxid, also CO2, in der Atmosphäre sei „sehr besorgniserregend“, die „katastrophalen Folgen“ samt Anstieg des Meeresspiegels seien „leicht vorstellbar.“

Zur Erinnerung: Diese offensichtlich brandaktuelle Analyse ist inzwischen über 50 Jahre alt. Die jahrzehntelange bewusste Verschleierung der Klimakrise ist dabei nur ein Beispiel, wie große Konzerne und ihre Eigentümer:innen auf Kosten der Allgemeinheit ihre Profite vergrößern.

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Die Tabakindustrie sowie einzelne Pharmakonzerne, die Geschäfte mit der Abhängigkeit machen, der Abgas-Skandal der deutschen Autokonzerne oder Superreiche, die von einem internationalen System der Steuerhinterziehung profitieren, wie etwa die „Panama Papers“ dokumentierten. Die Liste könnte noch lange fortgesetzt werden.

Solche echten Verschwörungen befeuern dann wiederum abstruse Verschwörungserzählungen. Gerade die Pharmakonzerne werden in einschlägigen Kreisen oft in den Mittelpunkt gerückt, wie wir etwa während der COVID-19-Pandemie gesehen haben. Gleichzeitig werden in der Szene dann übrigens völlig abstruse Eso-Tinkturen zu irrwitzigen Preisen angeboten.

Echte Verschwörungen kommen meistens raus

Doch warum wir über die echten Verschwörungen der Industrie Bescheid wissen? Weil interne Papiere oder Studien nach und nach ans Licht kommen. Und in vielen Fällen auch, weil (ehemalige) Mitarbeiter:innen auspacken. Und das ist übrigens auch schon ein sehr wichtiger Hinweis auf den Unterschied zwischen Verschwörungen und Verschwörungserzählungen: Echte Verschwörungen kommen meistens ans Licht. Oft, weil irgendjemand plaudert.

Manchmal gibt es Streit unter den Beteiligten und sie liefern sich gegenseitig ans Messer. Einige wollen auch ihr Gewissen erleichtern oder versprechen sich niedrigere Strafen. Wieder andere wollen gegenüber der Öffentlichkeit mit ihrem Wissen prahlen. Das kann auch finanzielle Gründe haben: Medien zahlen in vielen Ländern für exklusive Geschichten gutes Geld. Solche Geständnisse kommen übrigens besonders oft gegen Ende des Lebens, es gibt sogar den Begriff der „Lebensbeichte“.

So gab etwa der österreichische Neonazi Otto Rudolf Braun in hohem Alter Hinweise auf seine mögliche Beteiligung am Nazi-Bombenterror der 1990er Jahre. Vier Menschen aus der Roma-Minderheit starben damals bei einem Bombenanschlag im burgenländischen Oberwart, zahlreiche weitere Menschen wurden durch (Brief-)bomben teils schwer verletzt.

Nicht mehr als „drei oder vier“ Mitwisser, sagt Machiavelli

Die Geschichte, ob der schließlich verurteilte Franz Fuchs wirklich ein Einzeltäter war, habe hier für Dich recherchiert. Für Braun gilt trotz Ablebens weiterhin die Unschuldsvermutung. Doch das Problem mit den Mitwisser:innen kannte schon der italienische Philosoph Niccolò Machiavelli im 16. Jahrhundert. Er schrieb: „Vor der Entdeckung einer Verschwörung kann man sich nicht schützen, wenn die Anzahl der Mitwisser drei oder vier übersteigt.“

Und der Mann kannte sich mit Verschwörungen aus: Immerhin saß er selbst im Gefängnis, weil ihm eine Verschwörung gegen das Herrscherhaus der Medicis vorgeworfen wurde. Ein großes Problem ist aber offensichtlich: Bis echte Verschwörungen rauskommen, dauert es meistens eine ganze Weile. Was also bis dahin tun?

Wie Du Verschwörungserzählungen und Fake News erkennen kannst

Ein guter erster Schritt ist es, Informationen kritisch mit den Verzerrungen zu prüfen, die ich bereits vorgestellt hatte. Besondere Vorsicht ist bei aktuellen Ereignissen geboten, wo sich die Informationen schnell entwickeln und verändern.

Daher immer besser noch mal nachlesen, bevor etwas zu schnell geteilt und verbreitet wird. Vor allem solltest du dabei die Quelle prüfen. Bestätigen andere Medien die Quelle? Handelt es sich um ein seriöses Medium?

Beliebt ist auch die Verwendung von Fotos oder Videos in einem völlig anderen Zusammenhang. Beim Attentat auf Donald Trump im Juli 2024 wurde im Netz etwa ein Bild mit einem ukrainischen Ausweis verbreitet. Es sollte den angeblichen Attentäter zeigen.

Tatsächlich aber war der Mann auf dem Bild der US-Komiker Sam Hyde. Hier hätte allerdings schon ein genauerer Blick auf den angeblichen „Ausweis“ gereicht: Hyde war auf dem Foto mit nacktem Oberkörper zu sehen, die Ausweisnummer war „000000000“. Bei Unsicherheit kann es helfen, Bilder einfach über die Bildersuche bei Google hochzuladen und zu prüfen.

Wenn es kriselt, kommt die Verschwörungserzählung

Auch Krisenzeiten begünstigen Verschwörungserzählungen, das hat etwa die COVID-19-Pandemie gezeigt. Hier zeigt sich auch der „Verhältnis-Bias“ sehr gut. Wenn ein Ereignis so unglaubliche Auswirkungen auf unser gesamtes Leben hat, beginnt die Suche nach möglichst dramatischen Erklärungen. Die Weltverschwörung kommt da gerade recht.

Oft sind Verschwörungserzählungen übrigens extrem komplizierte Konstruktionen, die sich auch selbst widersprechen. Ganz generell gilt der Tipp: Wenn etwas zu abstrus klingt, um plausibel zu erscheinen, ist Vorsicht geboten.

Und niemand packt aus?

Die meisten Verschwörungserzählungen haben allerdings ein großes Problem: Damit sie funktionieren können, müssten unglaublich viele Menschen eingeweiht sein. Nehmen wir etwa die Behauptung, dass die menschengemachte Klimakrise nur ein Fake wäre.

Da müssten große Teile der weltweiten wissenschaftlichen Community mitmachen. Das sind viele, viele Millionen Menschen. Dazu noch weitere Millionen von Journalist:innen, Politiker:innen und sonstigen Fachleuten. Und vermutlich auch noch die Hersteller:innen von Thermometern.

Bei anderen Verschwörungserzählungen, etwa den Chemtrails, kämen wohl auch weitere Millionen von Familienangehörigen und engen Freund:innen dazu. Denn es wäre doch zumindest zu erwarten, dass die Beteiligten ihr engstes Umfeld vor dem angeblichen Gift in der Luft warnen. Und die würden wiederum ihr engstes Umfeld warnen. Tatsächlich also müsste innerhalb kürzester Zeit die ganze Welt Bescheid wissen. Das ist also ein sehr guter Beleg für den absoluten Schwachsinn dieser Behauptung.

Der „Great Reset“ – die Metaverschwörung der Szene

Auch andere Verschwörungen bräuchten unglaubliche Massen an Mitwisser:innen. Klarerweise etwa die COVID-19-Pandemie. Aber auch unsinnige Behauptungen, dass die Erde angeblich flach oder hohl wäre. Besonders wirkmächtig in der Szene ist aktuell die Verschwörungserzählung von einem angeblichen „Great Reset“, einem „Großen Umbruch“, der im Geheimen geplant würde.

Propaganda gegen einen angeblichen „Great Reset“ bei einem Corona-Aufmarsch auf der Ringstraße in Wien. Bild: Michael Bonvalot

Für die Szene ist der „Great Reset“ besonders praktisch. Denn dabei handelt es sich nicht mehr um eine einzelne Story, sondern um eine „Metaverschwörung“. Da kann dann alles hineingemischt werden, von der Leugnung der Klimakrise über Angriffe auf die LGBTI+-Community bis zu rassistischen Tiraden. Die Behauptung gipfelt darin, dass kapitalistische Eliten angeblich den Kommunismus umsetzen wollten. Dass das jetzt nicht wahnsinnig logisch ist, kümmert offensichtlich niemanden.

Der „Great Reset“ ist tatsächlich ziemlich schnarchig

Tatsächlich handelt es sich beim „Great Reset“ schlichtweg um den Titel eines Buches von Klaus Schwab, dem Gründer des Weltwirtschaftsforums (WEF). Es war kurz nach Ausbruch der Pandemie erschienen und gab einige Vorhersagen zu Wirtschaft und Gesellschaft. Ich habe das Buch gelesen, es ist, mit Verlaub, ein wenig schnarchig. Allerdings ist ohnehin kaum davon auszugehen, dass die Personen aus der einschlägigen Szene es tatsächlich jemals in der Hand gehabt haben.

Mordaufrufe gegen Klaus Schwab auf einer Hauswand in Wien-Landstraße. Bild: Michael Bonvalot

Der Slogan „Great Reset“ klang wohl schlicht ganz gut. Doch wer solchen Unsinn verbreitet, braucht in der eigenen Logik auch gigantische Strukturen, die dafür verantwortlich sind.

QAnon hat ein Problem

Die Verschwörungserzählung QAanon etwa behauptet, dass linke und liberale Eliten weltweit Kinder entführen würden, um aus ihnen einen Stoff zu gewinnen, der dann als Jungbrunnen verwendet werden würde. Zentrum wären die USA. Auch hier bräuchte es unzählige Mitwisser:innen.

Ganz abgesehen von den Eltern der angeblich entführten Kinder, die sich doch hoffentlich melden würden. Die erratischen Auftritte von US-Präsident Joe Biden im Präsidentschaftswahlkampf 2024 – die eher nicht nach Jungbrunnen aussehen – kann die einschlägige Szene übrigens nicht erklären.

Aufmarsch von QAnon-Fans, Epoch Times und Falun Gong am Graben in Wien am 06. Jänner 2021. Bild: Michael Bonvalot

Tatsächlich aber handelt es sich hier um nichts anderes als die Neuauflage von jahrhundertealten Vorurteilen gegen Jüdinnen und Juden sowie Sinti und Roma. Denen wurde schon im Mittelalter unterstellt, dass sie angeblich Kinder stehlen würden. Nun wird dieser antisemitische und rassistische Müll bei QAnon neu aufgewärmt.

Die geheime Weltregierung wartet meist schon um die Ecke

Im Hintergrund steht dann meist die geheime Weltregierung – oft angereichert um Behauptungen über teils existierende, teils komplett erfundene Organisationen. Etwa die Freimaurer, Illuminaten, Rosenkreuzer, Bilderberger, die Trilaterale Kommission, das World Economic Forum (WEF) oder ein angebliches „Komitee der 300“. Die Namen sind austauschbar, oft werden die Organisationen ohnehin bunt durcheinander gemischt. Mehr über die Bilderberger habe ich hier für Dich aufgeschrieben.

In der Pandemie ist dann auch noch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) dazu gekommen. Und manchmal wird einfach nur mehr der Begriff „Elite“ verwendet – die Kundschaft versteht dann schon, was gemeint ist.

Einfallstor für Antisemitismus

Und im Hintergrund stünden dann immer wieder Jüdinnen und Juden. Als Pate stehen antisemitische Machwerke wie die „Protokolle der Weisen von Zion“, mit denen die angebliche Weltregierung belegt werden soll. Tatsächlich handelt es sich dabei um eine Fälschung, die zuerst im zaristischen Russland verbreitet wurde. So wird die Verschwörungserzählung zum Einfallstor für den Antisemitismus.

Nun gibt es natürlich tatsächlich Geheimgesellschaften, besonders bekannt sind dabei die Freimaurer. Wobei die faktisch übrigens gar nicht so geheim sind – die Freimaurer in Österreich, Deutschland und der Schweiz haben sogar jeweils eine eigene Homepage.

Und es gibt auch tatsächliche Treffen von einflussreichen Personen jenseits der Öffentlichkeit – etwa bei den Versammlungen des WEF, der Bilderberger oder der Trilateralen Kommission. Und ja, das ist ein Problem. Doch wer daraus eine geheime Weltregierung spinnen will, hat sehr wenig darüber verstanden, wie komplex und widersprüchlich die tatsächlichen Interessen verschiedener Player im globalen Kapitalismus sind.

Warum fallen Menschen auf Verschwörungserzählungen rein?

Viele Menschen haben Angst vor neuen und fremden Dingen. Und Verschwörungserzählungen können in einer zunehmend komplexen Welt viel Halt geben. Denn sie befriedigen den Wunsch nach Strukturen, Verstehbarkeit und Kontrolle. Das gilt gerade, wenn ringsherum gerade Chaos herrscht und manche Menschen der Schuldigen suchen, etwa während der Pandemie.

Dazu können Verschwörungserzählungen von eigener Verantwortung freisprechen. Auch dieses Muster zeigte sich in der Pandemie: Wer behauptete, dass es COVID-19 gar nicht gibt, oder dass die Übertragung nicht gefährlich wäre, musste auch nichts im eigenen Leben ändern. Das gleiche gilt für die Klimakrise. Stattdessen wird eine weltweite Verschwörung behauptet. Das ist praktisch.

Dazu sind Verschwörungserzählungen oft wie eine gute Geschichte aufgebaut. Es gibt ein spielerisches Element, es ist wie ein Hollywood-Film, wo immer neue Hinweise entdeckt werden. „Follow the rabbit hole“, heißt es dann, also „Folge dem Kaninchenbau“. Ursprünglich stammt die Parole übrigens aus dem Roman „Alice im Wunderland“.

Auserwähltes Wissen gegen die „Schlafschafe“

Wer Verschwörungserzählungen verbreitet, erhebt sich damit gleichzeitig über die Masse der angeblichen „Schlafschafe“. Oft wird dabei auf Hollywood-Filme zurückgegriffen, etwa auf die Matrix. Die Wissenden hätte nun die „Rote Pille“ genommen und würden die angeblichen geheimen Strukturen im Hintergrund verstehen. Das gibt gleichzeitig die Möglichkeit zu aufwertenden Selbstinszenierungen. Und das wiederum kann psychisch sehr befriedigend sein.

So putscht sich die Szene auch gegenseitig auf: Wer etwas besonders Spektakuläres erfindet, bekommt Zuspruch (und Spenden). Meine Recherche über die rechte Parallelwelt Telegram, wo solche Verschwörungserzählungen besonders stark verbreitet werden, kannst Du hier lesen. Deshalb scheitern Debatten auf der Fachebene auch so oft: Die psychische Nützlichkeit für die Betreffenden ist zu hoch. Dazu wäre auch das Eingeständnis enorm beschämend, auf absoluten Bullshit hereingefallen zu sein.

Welche Techniken verwendet die Verschwörungsszene?

Damit Verschwörungserzählungen funktionieren, müssen Fakten und wissenschaftliche Erkenntnisse abgewertet werden. Es muss mit Ängsten gespielt werden und vermeintliche Feinde müssen attackiert werden. Gleichzeitig ist das allerdings auch eine gute Möglichkeit, um Verschwörungserzählungen und Fake News zu erkennen.

Wenn Wissenschaft, Forschung und anerkanntes Wissen abgewertet werden und stattdessen Beschimpfungen oder anekdotisches Wissen kommen, ist immer Vorsicht geboten. „Aber die Tante der Cousine der Nichte des Friseurs ist nach der Impfung (…) und wenn Du das nicht glaubst, bist Du ein Trottel “ – das ist meist schon ein ganz guter Hinweis auf Bullshit.

Welche Menschen sind besonders gefährdet?

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Verschwörungserzählungen und Fake News wirken besonders gut in sogenannten isolierten Filterblasen. Wer Informationen bereits mehrfach wahrgenommen hat, wird sie glaubwürdiger finden. Dazu glauben wir eben auch gerne, was wir glauben wollen. Was die eigene Meinung bekräftigt, wirkt glaubwürdiger als das, was ihr widerspricht. Das ist der bereits erwähnte Bestätigungs-Bias.

Es braucht nicht viel. Schon eine auffällig geformte Wolke kann als vermeintliche „Bestätigung“ für Verschwörungserzählungen dienen. Bild: Michael Bonvalot

Besonders anfällig für Verschwörungserzählungen sind dabei Menschen, die ein geringes Selbstwertgefühl haben, sozial isoliert sind, eine unsichere Existenz haben oder sich selbst als sehr hilflos erleben. Denn sie profitieren besonders stark von den vermeintlichen Erklärungen und auch von der psychischen Aufwertung, die sie durch das „ausgewählte Wissen“ und dessen Verbreitung erfahren.

Doch Vorsicht: Es sind nicht nur „die anderen“, die auf Verschwörungserzählungen hinein kippen können. Aufpassen sollten alle Menschen.

Es geht um richtig viel Geld

Im Dezember 2012 verursacht ein Amokläufer einen der schlimmsten Massenmorde in der Geschichte der USA. Er schießt in der Volksschule “Sandy Hook” im US-Bundesstaat Connecticut um sich, insgesamt 27 Menschen sterben, die meisten von ihnen kleine Kinder. In den kommenden Jahren wird der US-amerikanische Verschwörungserzähler Alex Jones daraus enorme Profite schlagen.

Denn diese rechte Propagandaschleuder behauptet, dass das Massaker gestellt worden wäre. Die Eltern der ermordeten Kinder seien angeblich Schauspieler:innen, behauptet der Trump-Fan. Er attackiert sie öffentlich und wirft sie den Angriffen seiner Anhänger:innen zum Fraß vor. Mit Klicks auf seiner Seite „Infowars“ verdient Jones daran ein Vermögen. Dort verkauft er etwa Trump-Merchandising oder auch völlig abstruse esoterische Mittelchen. Mehr über die gefährlichen Parolen dieses Verschwörungserzählers habe ich hier für Dich aufgeschrieben.

Immerhin wird zumindest Jones dafür zur Rechenschaft gezogen: Im Juni 2024 wird sein Vermögen liquidiert, um die Opfer seiner Lügen zu entschädigen. Doch viele andere können ihren Müll weiterhin ungestraft verbreiten.

Mehr Unsinn bedeutet mehr Profit

Die Rechnung ist einfach: Je länger die Leser:innen auf der jeweiligen Seite bleiben, desto mehr Werbung kann Ihnen eingespielt werden. Und desto größer ist auch die Chance, dass sie irgendetwas aus dem Shop der Seite bestellen. Je absurder, fantastischer oder/und exklusiver die jeweilige Story ist, desto besser fürs Geschäft. Hier habe ich für Dich aufgeschrieben, wie die extreme Rechte und die Verschwörungsszene sich finanzieren und welche Banken sie dazu verwenden.

Die österreichische Verschwörungsplattform „Report24“ etwa veröffentlicht im Juli 2024 einen Artikel über das gescheiterte Attentat auf Donald Trump. Der Titel: „War ‚linkes‘ Attentat gegen Trump Komplott der Dienste?“ Da wird dann praktischerweise gleich alles zusammengemischt – irgendwie sollen gleichzeitig Linke und Geheimdienste schuld sein.

Allein bei diesem einen Artikel werden auf „Report24“ rund 30 (!) Inserate eingespielt. Von abstrusen Eso-Mittelchen über angeblich super wirksame Abnehm-Präparate („in 28 Tagen 22 kg“) bis zu Potenzmitteln. Besonders absurd wirkt die Werbung für Solardachziegel – immerhin stellt die Propagandaschleuder regelmäßig die menschengemachte Klimakrise in Frage. Und darunter folgen Bücher mit eindeutigen Titeln wie „Das Wörterbuch der Lügenpresse“ oder „Covid-19. Die ganze Wahrheit“. Übrigens: Auf standpunkt.press gibt es keine Inserate.

Ein bisschen Gaga kann doch nicht so schlimm sein?

Manche Verschwörungserzählungen wirken schon auf den ersten Blick so absurd, dass sie als harmlose Spinnerei abgetan werden. Etwa die Flacherde, die vermeintlich nur vorgetäuschte Mondlandung oder die jahrzehntelange UFO-Hysterie. Was wir tatsächlich über UFOs wissen, werde ich übrigens in Kürze für euch auf standpunkt.press veröffentlichen.

Andere Verschwörungserzählungen sind ganz offensichtlich gefährlich und politisch brisant. Etwa der „Great Reset“, die Leugnung der menschengemachten Klimakrise oder rassistische Behauptungen über einen angeblich geplanten „Bevölkerungsaustausch“. Oft werden auch wahnwitzige „Gesundheits“-Tipps gegeben, die tatsächlich schwer krank machen können.

Auch die scheinbar harmlosen Verschwörungserzählungen sind gefährlich

So wird etwa in der rechten Szene seit einiger Zeit die Verschwörungs-Propaganda verbreitet, keine pasteurisierte Milch mehr zu trinken. Stattdessen solle Rohmilch verwendet werden. Tatsächlich aber kann Rohmilch äußerst gefährliche Bakterien enthalten. Hier habe ich diese Geschichte für Dich aufgeschrieben.

Doch auch die scheinbar harmlosen Verschwörungserzählungen sind gefährlich. Denn auch sie funktionieren meist nur mit einem gigantischen Komplott, das angeblich im Hintergrund „alles“ organisiert. Und schon sind wir bei der geheimen Weltregierung. Und der Antisemitismus wartet dann meist bereits um die Ecke.

Rechte Parteien pushen die Propaganda – und profitieren

Die FPÖ veröffentlicht Ende Mai 2024 ein bizarres Video auf ihrem Kanal „FPÖ TV“. Auf knapp 40 Minuten holt die FPÖ dort zum verschwörungserzählerischen Rundumschlag aus. Abgearbeitet wird so ziemlich alles, was die einschlägige Szene seit Jahren trommelt.

Themen sind etwa die Verharmlosung der Klimakrise, die Ukraine, das WEF, die Weltgesundheitsorganisation, Migration, Gender – und immer wieder die Corona-Pandemie. Der Leitsatz: Schuld an so gut wie allen Übeln der Welt wären angebliche “globalistische Eliten”, die im Hintergrund die Welt regieren würden. Hier kannst Du meine Recherche zu diesem Video lesen.

Das Schlagwort von den “Globalisten” ist in den letzten Jahren in der extrem rechten Szene zunehmend populär geworden. Laut einschlägigen Verschwörungserzählungen handelt es sich dabei um eine angeblich geheim agierende Weltelite. Es sind Propagandaslogans, die wohl nicht zufällig an die antisemitischen Bilder von den “heimatlosen Juden” erinnern.

Warum das für uns alle zum Problem werden kann

So bizarr und teils unfreiwillig komisch die einschlägige Propaganda oft wirkt, so gefährlich ist sie gleichzeitig. So werden etwa wissenschaftsfeindliche Parolen in der nächsten Pandemie die Eindämmung des Virus massiv erschweren.

Und eine nächste Pandemie wird kommen, dafür sorgen Klimakrise und Massentierhaltung. Die Frage ist nicht ob eine nächste Pandemie kommt, sondern wann (die Hintergründe dazu habe ich hier für Dich aufgeschrieben).

Bild: Michael Bonvalot

Dazu bauen einschlägige Parteien ein Spiel mit der Angst auf. Vor angeblich dunklen und “globalistischen Mächten”. Die einschlägigen Untertöne sind offensichtlich.

Dazu die Leugnung der menschengemachten Klimakrise. All das hat reale Auswirkungen. Im Fall der Klimakrise sogar auf die Zukunft der gesamten Menschheit. Wer diese Zukunft bewahren will, wird spätestens hier laut und deutlich widersprechen müssen.

 14 Tipps, mit denen du Verschwörungserzählungen und Fake News das Leben etwas schwerer machen kannst:
  1. Sei misstrauisch.
  2. Welche Absicht steckt hinter einer Botschaft? Hinterfrag den Zweck.
  3. Achtung bei besonders reißerischen Botschaften.
  4. Von wem hast Du die Information bekommen? Prüf die Absender:innen der Nachricht.
  5. Kannst Du die Quelle der Information nachvollziehen? Wer ist der/die Autor:in? Gibt es ein Impressum? Wie seriös wirkt diese Quelle generell?
  6. Wenn eine Quelle für eine Information angegeben wird: Steht die behauptete Information auch wirklich in der Originalquelle?
  7. Gegencheck: Was sagen andere Quellen?
  8. Suchmaschinencheck: Wo liegt der Ursprung einer Meldung?
  9. Wie alt ist die Information? Überprüfe die Aktualität.
  10. Zahlen und Fakten hinterfragen: Ist die Behauptung logisch überhaupt möglich und plausibel?
  11. Check Bilder und Videos über Suchmaschinen: Sind es wirklich Bilder zu diesem Ereignis oder sind sie schon älter?
  12. Melde Verschwörungserzählungen und Fake News auf der jeweiligen Plattform.
  13. Stell Verschwörungserzählungen und Fake News richtig. Bleib ruhig und sachlich. So gibst Du wichtige Informationen für alle, die mitlesen – und bestärkst sie.
  14. Teile nichts, ohne zu hinterfragen.

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