Das sind die Kundgebungen der extremen Rechten zur Störung der Kinderbuchlesung am Sonntag in Wien. Das sagt die Polizei. Und so wollen Queers und Linke dagegenhalten.

Neofaschistische Identitäre, katholische Fundis, die rechte Corona-Szene und Teile der FPÖ mobilisieren am Sonntag gegen eine Kinderbuchlesung in der Türkis-Rosa-Lila-Villa in Wien. Laut rechter Propaganda würde es um „Frühsexualisierung“ gehen – tatsächlich sollen Kinder dort altersgerecht mehr über Toleranz erfahren. Doch das Thema passt in die einschlägige Agenda.

Ausgehend vor allem von den USA nehmen extreme Rechte aktuell Queers, die Trans-Community, Dragqueens und Abtreibungen in Visier. So wollen sie ihre Agenda der angeblichen heilen heterosexuellen Familie vorantreiben. Mit möglichst vielen möglichst weißen Kindern. Dazu wird einerseits auf gesetzlicher Ebene vorgegangen. Und auf der Straße soll der Mob für den Druck sorgen. So marschieren etwa in Wien jedes Jahr Faschist:innen und katholische Fundamentalist:innen gegen die Regenbogenparade auf. Dort demonstrieren dann oft ältere Männer gegen Frauenrechte. Und 2021 störte ein Grüppchen von Nachwuchs-Faschist:innen der Gruppe Identitäre mit einem Banner am Rathaus die Abschlusskundgebung der Regenbogenparade.

Der „Marsch für die Familie“ am 11.06.2022. Bild: Michael Bonvalot

Das sind die Pläne und Kundgebungen der Rechten

Bereits im Juni 2022 marschierten extreme Rechte vor einer städtischen Bücherei in Wien auf, nachdem dort eine queere Kinderbuchlesung angekündigt war. Und nun wollen sie am Sonntag vor der Türkis-Rosa-Lila-Villa aufmarschieren, dem Zentrum der LGBTI-Community in Wien. Direkt vor der Villa soll ab 9h eine Kundgebung „Gegen politisch geförderte Frühsexualisierung, Pädophilie & Geschlechtsverwirrung“ stattfinden. Angezeigt sind dafür die Linke Wienzeile 102 (direkt vor dem „Villa Vida Cafe“) sowie die Linke Wienzeile/Ecke Spörlinggasse und Ecke Hofmühlgasse, die Anzeige läuft bis 14h.

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Eine weitere mutmaßlich rechte Kundgebung unter dem Motto „Schützt unsere Kinder“ ist bereits ab 8.30h bis 17h auf der Linken Wienzeile 108 (Aufstellung stadtauswärts) angezeigt. Dazu gibt es auch noch eine Kundgebung genau gegenüber der Villa. Motto: „Allgemeine Information der FPÖ“ im Ernst Arnold Park (Rechte Wienzeile Höhe 79). Veranstalter dieser Kundgebung, die von 8h bis 15h angezeigt ist, ist also vermutlich die FPÖ. Nach dem Aufmarsch vor der Villa wollten die Rechten dann über den Ring ziehen. Dort sollte ab Heldenplatz in Fahrtrichtung einmal um die Ringstraße marschiert werden.

Bild: Michael Bonvalot

Update: Am Samstagabend hat Corona-Gesicht Martin Rutter dann allerdings auf Telegram geschrieben, dass nun nur ein Marsch bis zum Burgtheater geplant wäre, doch keine Kundgebung am Heldenplatz. Pikant daran: Es ist laut Behörde zwar ein Marsch um den Ring angezeigt, aber keine Demonstration zwischen Villa und Ringstraße. Hier wird also interessant, ob die Behörde den offenbar nicht angezeigten Aufmarsch der Rechten zulässt. Rutter kündigt auch einen Ersatztreffpunkt an, falls ein Aufmarsch direkt vor der Villa nicht möglich wäre: Auf der Rechten Wienzeile direkt neben der U4-Station Pilgramgasse.

Linke halten dagegen

Doch auch zahlreiche queere und linke Kundgebungen sind angezeigt. Direkt vor der Villa soll schon ab 7h bis 9h unter dem Motto „Wien ist bunt – Keine Hetze gegen Queere-Menschen“ demonstriert werden. Eine Kundgebung „Gegen Transfeindlichkeit – Solidarität mit der Drag Queen Story Hour“ ist zwischen 9h und 18h für die Straße hinter der Villa angekündigt, also Mollardgasse/Ecke Spörlinggasse. Dazu gibt es noch einige weitere mutmaßlich kleinere Kundgebungen, die in der Umgebung angezeigt sind. Update: Die Plattform Radikale Linke hat inzwischen eine Aktionskarte veröffentlicht.

Aktionskarte der „Plattform Radikale Linke“

Die Landespolizeidirektion Wien sagt, dass zwischen den diversen Versammlungen ein „Schutzbereich“ von 50 Metern einzuhalten sei. Die Gefahrenzonen für die Veranstaltung in der Villa liegen mit den jetzt vorliegenden Kundgebungsanzeigen allerdings auf der Hand: Einerseits der rechte Aufmarsch direkt vor der Villa, andererseits die Frage, wie die Besucher:innen der Veranstaltung samt Kindern sicher in die Villa gelangen können.

Was wird die Polizei tun?

Beginnen wir mit den Besucher:innen. Ich hatte die Landespolizeidirektion (LPD) Wien gefragt: „Wie wird sichergestellt, dass Personen, die via U4 Pilgramgasse mit Kindern zur Lesung anreisen, vor Übergriffen geschützt werden.“ Die nahe gelegenen U-Bahnstation wird wohl das bevorzugte Verkehrsmittel für die meisten Anreisenden sein. Hier äußert sich die LPD mir gegenüber nicht eindeutig: Es bestünde ein enger Austausch mit den Veranstalter:innen der Lesung, um „für einen reibungslosen Ablauf der Veranstaltung (inkl. Zu- und Abgang der Besucher) zu sorgen“.

Doch hier besteht offensichtlich eine enorme Gefahrensituation. Auf Telegram etwa kursiert bereits das Posting „Hura hura da brennt der Tuntenstall“. (Alles über die rechte Parallelwelt Telegram könnt ihr hier lesen.) Will die Wiener Polizei tatsächlich eine Situation, wo Menschen mit kleinen Kindern durch eine vermutlich pöbelnde und erregte Masse hindurchlaufen müssen, damit sie an einer Kinderbuchlesung teilnehmen können?

Das zweite Gefahrenmoment liegt ebenfalls auf der Hand: Der rechte Aufmarsch soll unmittelbar vor der Villa stattfinden. Die Polizei schreibt mir gegenüber davon, dass verschiedene Versammlungen „unter anderem mit Tretgittern“ gesichert werden sollen, „um ein Aufeinandertreffen etwaiger Konfliktparteien im Rahmen der Kundgebungen zu verhindern“.

Das Konzept der Polizei wird nicht ausreichen, um die Menschen zu schützen

Doch wie soll das funktionieren, wenn die Rechten buchstäblich direkt vor der Villa aufmarschieren können – wo die Kinderbuchlesung stattfinden soll und Besucher:innen hinein und hinaus müssen? Es ist offensichtlich, dass dieses Konzept dazu führen könnte, dass viele Menschen vor allem auch aus Angst um ihre Kinder dann nicht an der Lesung teilnehmen. Oder vor Ort angepöbelt und belästigt werden.

Und schließlich gibt es dann noch die linke Kundgebung, die bis 9h früh vor der Villa angezeigt ist. Was passiert danach? Wird die Wiener Polizei tatsächlich queere und antifaschistische Menschen – möglicherweise unter Einsatz von Gewalt – verdrängen, damit extreme Rechte und Faschist:innen eine Kinderbuchlesung stören können?

Bisher seien „keine expliziten Aufrufe zu Gewalt oder sonstiger Eskalationen bekannt“, behauptet mir gegenüber die Polizei in einem Mail am Freitag. Doch tatsächlich kursieren zahlreiche explizite Gewaltdrohungen. So droht eine Person auf dem Telegram-Kanal von Identitären-Gesicht Sellner „mit dem Baseballschläger“. Eine andere Person, ebenfalls auf Sellners Kanal zeigt ein Video mit einem alten Kampfflugzeug, wohl ein Bomber. Dazu der Kommentar, das sei seine Meinung zum „Kinder perversieren und abrichten“. Und auf dem Kanal von Corona-Gesicht Rutter heißt es in einem Kommentar eindeutig: „Hura Hura da brennt der Tuntenstall“. Diese Szene ist gefährlich.

Ergänzt am 15.04. um rechte Drohungen gegen die Lesung sowie um die neuesten Pläne und Aufrufe.

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