Ein Linksruck in Wien? Tatsächlich hat die SPÖ sogar massiv Stimmen verloren, bei den Grünen war es ein leichter Zugewinn. Beide haben prozentuell von der Schwäche der FPÖ profitiert.

Nach der Wahl in Wien ist mancherorts von einem Linksruck die Rede. Als Beleg dafür werden die Ergebnisse von SPÖ, Grünen sowie der Wahlplattform Links angeführt. Faktisch aber ist das für die SPÖ schlicht falsch. Tatsächlich ist der Wahlerfolg der SPÖ rein prozentuell: In absoluten Stimmen hat sie deutlich verloren.

Die vermeintliche Wahlsiegerin SPÖ hat sogar rund  zehn Prozent ihrer WählerInnen von 2015 verloren. [In einer früheren Version war hier die Wählerstromanalyse von SORA angeführt, alle Zahlen wurden nun durch das vorläufige Endergebnis ersetzt.] Die beiden Parteien profitieren schlicht von der niedrigeren Wahlbeteiligung.

In absoluten Zahlen hatte die SPÖ im Jahr 2015 in Wien noch 329.773 Stimmen, 2020 sind es nur noch 301.967. Das ist ein herber Verlust von rund zehn Prozent. Bei den Grünen dagegen hat sich das Ergebnis noch gedreht: Lagen sie bei der Wählerstromanalyse noch im Minus, haben sie jetzt ein Plus von rund 10 Prozent: 2015 waren es 98.626 Stimmen, nun sind es 107.397. [Diese Veränderungen wurden im Artikel entsprechend angepasst.]

All das wohl gemerkt bei einer stark wachsenden Bevölkerung – zwischen 2015 und 2019 ist die Bevölkerung in Wien immerhin um rund 100.00 Menschen angewachsen. Gleichzeitig gibt es dazu allerdings auch einen gegenläufigen Trend: Inzwischen sind bereits 3 von 10 WienerInnen vom Wahlrecht ausgeschlossen, in manchen Vierteln ist es sogar bereits mehr als die Hälfte. Dadurch sinkt trotz steigender Bevölkerung die Zahl der Wahlberechtigten.

FPÖ und SPÖ verlieren an NichtwählerInnen

Die hohe prozentuelle Steigerung von SPÖ und Grünen kommt schlicht deshalb zustande, weil das Lager der NichtwählerInnen massiv gewachsen ist. Auch 2015 gingen bereits 300.000 Menschen nicht zur Wahl gingen, doch heuer waren es schon 438.000 Menschen. Das ist eine enorme Zunahme.

Sie erklärt sich laut der SORA-Wählerstromanalyse daraus, dass über 100.000 FPÖ-WählerInnen von 2015 diesmal zu Hause geblieben sind. Und auch die SPÖ hat 73.000 Menschen in das Lager der NichtwählerInnen verloren. In absoluten Zahlen stark dazu gewonnen hat dagegen Links.

Links gewinnt stark

Bei den Wahlen 2015 hatten KPÖ/Wien Andas 8.937 Stimmen, Links konnte das bei den Gemeinderatswahlen 2020 auf nunmehr 14.919 Stimmen ausbauen. Ähnlich das Bild bei den Wahlen auf Bezirksebene: Dort waren es im Jahr 2015 insgesamt 11.778 Stimmen gewesen, nunmehr kommt Links auf 19.516 Stimmen, das sind 2,54 Prozent.

Der reale Einfluss einer Organisation zeigt sich darin, wie viele Menschen sie unterstützen und nicht in Prozenten. Oftmals sind das ja nicht nur WählerInnen, sondern auch jene Menschen, die in Gesprächen mit anderen die eigene Wahlentscheidung erklären und verteidigen.

Warum sind reale Stimmenverluste relevant?

Wenn also Parteien trotz steigender Bevölkerung faktisch Stimmen verlieren, verlieren sie auch faktisch Einfluss in den Betrieben, in den Stadtvierteln, in den Wohnhausanlagen, in den Schulen und auf den Unis.

Die Tage nach der Wahl haben es an sich, dass die einen ihre Siege bejubeln und die anderen ihre Wunden lecken. Doch für eine seriöse Analyse der Wahl sind seriöse Zahlen notwendig. Und hier zeigt sich: Hätten SPÖ und Grüne nicht vom Ibiza-Desaster der FPÖ und damit von der niedrigen Wahlbeteiligung profitiert, wären die Wahlen in Wien wohl ganz anders ausgegangen. Beide Parteien würden dann prozentuell ganz anders dastehen, von historischen Siegen wäre keine Rede mehr.

Viele WählerInnen der extremen Rechten sind dagegen aktuell offenbar schlicht in einer Warteposition. Und das ist keine gute Nachricht.

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