Der Stonewall-Aufstand ist die Geburtsstunde der weltweiten LGBTIQ+-Pride-Bewegung – trans*-Menschen standen in der ersten Reihe. Doch jetzt fälscht die Trump-Regierung sogar die Geschichte.
„Der Aufstand von Stonewall am 28. Juni 1969 ist ein Meilenstein im Kampf um die LGBTQ+-Bürgerrechte und gab den Anstoß für eine Bewegung.“ Dieser historisch korrekte Satz war noch bis Mitte Februar 2025 auf der Seite des „National Park Service“ (NPS) zu finden. Der Park Service untersteht dem US-Innenministerium und ist auch für das Stonewall-Denkmal in New York zuständig.
Titelbild: LGBTIQ+-Kundgebung vor dem Stonewall Inn gegen Trump, Mathias Wasik; Trump: Gage Skidmore; Collage; CC BY-SA 2.0
Der gesamte Bereich des „Stonewall National Monument“ umfasst das bis heute existierende Lokal „Stonewall Inn“ in der Christopher Street, umliegende Straßen sowie den Park direkt vor dem Stonewall. In diesem Park ist auch das Stonewall-Denkmal.

Das Stonewall-Denkmal, rechts dahinter das Stonewall Inn. Bild: Michael Bonvalot
Es zeigt vier Menschen, die miteinander sprechen und möglicherweise flirten. Sie stehen für die zahlreichen Menschen aus der LGBTIQ+-Community, die sich in den vergangenen Jahrzehnten im Stonewall Inn und im Park davor getroffen hatten.
Trump lässt die Geschichte fälschen
Die Abkürzung „LGBTQ+“ steht übrigens für Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender und Queer. Das „+“ wird oft nachgestellt, um darzustellen, dass es weitere sexuelle Identitäten gibt. Viele Menschen (auch ich in meinen Artikeln) fügen nach „LGBT“ noch den Buchstaben „I“ hinzu, er steht für intersexuelle Menschen.
Doch nun wurde die Homepage des NPS entscheidend verändert, die trans*Community und viele weitere Informationen wurden komplett gelöscht. Und damit fälscht die Administration von Präsident Donald Trump schlichtweg die Geschichte.
„Wir werden nicht gehen“
Das Stonewall Inn in Manhattan und der Park davor sind schon Ende der 1960er Jahre wichtige Treffpunkte für die Community – unter ihnen viele African Americans, viele trans*Menschen und viele Drag Queens. Und regelmäßig werden diese Menschen im lange alternativ geprägten „Greenwich Village“ Opfer von homophoben und rassistischen Polizeikontrollen.
Doch Mitte der 1960er Jahre beginnen Proteste. Schon im August 1966 hatten Menschen aus der trans*-Community in San Francisco einen Aufstand gegen die Polizei begonnen: die heute kaum noch bekannten „Compton’s Cafeteria riots“. Und am 28. Juni 1969 beginnt die Polizei auch im New Yorker Stonewall Inn wieder einmal mit den üblichen willkürlichen Verhaftungen. Doch diesmal haben die Menschen genug.
Ein beteiligter Polizist erzählt später, dass die Besucher:innen der Bar einfach gesagt hätten: „Wir werden nicht gehen!“ Die erste, die sich der Verhaftung handgreiflich widersetzte, soll eine lesbische Frau in Männerkleidung gewesen sein.
„Warum tut ihr Leute nichts?“
Diese Frau soll mehrmals versucht haben, der Verhaftung zu entkommen, schließlich soll sie oder eine andere Frau in die Menge geschrien haben: „Warum tut ihr Leute nichts?“ Es ist offenbar das Signal zum Widerstand. Ein mehrtägiger Aufstand gegen die Polizei im ganzen Viertel beginnt – er gilt als Geburtsstunde der weltweiten Selbstermächtigung der LGBTIQ+-Bewegung.
Weltweit erinnern noch heute jedes Jahr Paraden an diesen Aufstand. Diese Demonstrationen heißen entweder Regenbogen-Paraden, „Pride“ (Stolz) oder schlicht CSD. Die Abkürzung steht für „Christopher-Street-Day“. Oft werrden bei den Paraden bis heute Parolen gezeigt, die gleichzeitig eine wichtige Erinnerung sind: „Stonewall was a riot“ oder „The first pride was a riot“ – Stonewall und die erste Pride waren ein Aufstand.
Trans*- und queer-idente Menschen sind auf einmal verschwunden
Doch die Homepage dieser wichtigen Gedenkstätte wurde Mitte Februar auf einmal entscheidend verändert. In der Früh des 13. Februar war auf der Seite noch von „LGBTQ+- Bürgerrechten“ die Rede. Am Abend dann aber auf einmal nur noch von „LGB-Bürgerrechten“. Trans*- und queer-idente Menschen sind seither von der Homepage verschwunden.

Bild: Stuart Grout, CC BY 2.0
Über die Seite des Park Service ist inzwischen nur noch die neue Version abrufbar. Doch über Archivseiten ist auch die Version bis zum 13. Februar zu finden. (Hier ist auch eine Version vom Abend des gleichen Tages, wo die Änderungen bereits durchgeführt waren.) Doch vielleicht war die Löschung ja einfach nur ein Missverständnis?
Das ist auszuschließen, denn es geht um viel mehr als nur einen Satz. Überall auf der Seite ist auf einmal nur noch von „LGB“ die Rede. So wird auf der Seite etwa die Bedeutung der Regenbogen-Fahne erklärt. Bis zum 13. Februar hieß es dort: „Was sind LGBTQ+ Flaggen und an welchen Tagen sollten wir sie feiern?“ Seither geht es nur noch um „LGB-Flaggen“.
Auch alle Videos zur Geschichte von Stonewall sind gelöscht
Und die Erinnerung an den Aufstand wurde sogar noch umfangreicher gelöscht: So war bis vor kurzem auch eine umfangreiche Videoserie auf der Seite online: Insgesamt 15 Teile über die Geschichte des Stonewall-Aufstands. Doch inzwischen ist unter dem entsprechenden Link nur noch eine Fehlermeldung zu finden.

Das Stonewall Inn. Bild: Michael Bonvalot
Auch diese Videos waren bis zum 13. Februar noch vorhanden, am nächsten Tag waren sie dann komplett gelöscht. Warum diese Videos verschwunden sind, ist offensichtlich: Sie hätten die historische Wahrheit erzählt.
Stonewall war auch ein trans*-Aufstand
So wird in den Videos etwa die bedeutende Rolle von Marsha P. Johnson und Sylvia Rivera beim Aufstand erzählt – es gibt sogar den (falschen) Mythos, dass Johnson den ersten Stein geworfen hätte. Die schwarze Johnson und die hispanisch-stämmige Rivera waren trans*ident.
Und die beiden Aktivistinnen stehen damit stellvertretend für zahlreiche trans*Menschen, oft aus ethnischen Minderheiten, die sich am Aufstand beteiligten. Sylvia Rivera spricht später von ihrem „revolutionären Blut“, das in den sozialen Bewegungen der Zeit geprägt worden wäre, auch in der Bewegung gegen den Vietnam-Krieg und für die Rechte der schwarzen Bevölkerung.
Die Polizei verliert die Kontrolle
In der ersten Nacht des Aufstands verliert die Polizei zeitweise völlig die Kontrolle, einige Polizisten müssen sich sogar ins Stonewall Inn zurückziehen. Augenzeuge Bob Kohler berichtet laut US News: „Die Cops waren total gedemütigt. So etwas war niemals zuvor passiert.“
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Die Polizisten wären wütender gewesen als jemals zuvor, „weil alle schon randaliert hatten. Aber die Feen sollten nicht randalieren“, so Kohler. „Feen“, das war damals eine Bezeichnung für Menschen aus der Gay-Community. Anfänglich war es eine Herabwürdigung, später hat die Community den Begriff übernommen. Und so Kohler weiter: „Keine Gruppe hat die Polizei jemals zum Rückzug gezwungen, die Wut [der Polizei] war also enorm. Ich meine, sie wollten töten.“ Dennoch kann die Polizei sich nicht durchsetzen.
Doch am Ende der Nacht ist das Stonewall Inn weitgehend zerstört, vermutlich von der Polizei. Von diesen ersten Kämpfen existiert nur ein bekanntes Bild, es zeigt wütende Jugendliche und die Polizei. In den kommenden Tagen und Nächten weitet sich der Aufstand noch aus, rund eine Woche wird im ganzen Greenwich Village gekämpft.
Die „Aktions-Revolutionär:innen“ werden aktiv
Kurz nach dem Stonewall-Aufstand gründen die Aktivistinnen Johnson und Rivera dann das Kollektiv STAR. In diesem Kollektiv, mit vollem Namen „Street Transvestites Action Revolutionaries“ (Straßen-Transvestit:innen Aktions-Revolutionär:innen), organisieren sich wohnungslose LGBTIQ+-Jugendliche und Sexarbeiter:innen. Dazu entstehen unmittelbar nach Stonewall noch weitere revolutionäre Zusammenschlüsse, etwa die Gay Liberation Front (GLF) oder die Radicalesbians.

Die erste Nacht der Kämpfe. Bild: Joseph Ambrosini, New York Daily News
Die GLF organisiert ein Jahr nach Stonewall auch die erste Demonstration in der Christopher Street – der Ursprung aller „Pride“-Paraden. Und die revolutionären Zusammenschlüsse breiten sich schnell in den ganzen USA und auch international aus.
Der Beginn einer weltweiten Bewegung gegen Diskriminierung
1971 wird etwa in Köln ein erster deutschsprachiger Ableger der Gay Liberation Front gegründet. Und es sind harte Kämpfe, die bis heute ausgefochten werden müssen. So ist Homosexualität in der BRD bis 1969 komplett verboten, die Strafbestimmungen wurden direkt vom NS-Regime übernommen. Die DDR hatte dem Paragrafen ab 1957 zumindest abgemildert – selbstverständlich immer noch viel zu wenig. In Österreich ist Homosexualität bis 1971 verboten.
Und sogar noch bis 1997 ist das „öffentliche Gutheißen“ von Homosexualität strafbar. Viele andere rechtliche Diskriminierungen gibt es bis heute. So hat erst im Jänner 2025 der österreichische Verwaltungsgerichtshof die rechtliche Anerkennung von trans*-Personen untersagt, wie das Rechtskomitee Lambda berichtete.
Trumps Generalangriff auf die trans*-Community
Auch die Auslöschung der Stonewall-Erinnerung kommt letztlich nicht überraschend. Tatsächlich ist es vor allem ein weiterer Baustein im Kreuzzug der Trump-Regierung gegen die LGBTIQ+-Community und vor allem gegen trans*Menschen.
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So unterzeichnete Trump bereits am Tag seiner Amtseinführung ein Dekret, wonach die Regierung künftig nur noch zwei Geschlechter anerkennen würde. Das bedeutet etwa, dass es in offiziellen Dokumenten keine Möglichkeit mehr gibt, andere (oder keine) Geschlechtsidentität einzutragen.
Sportliche Aktivitäten für trans*Menschen sollen ebenfalls erschwert werden. Dazu hat die Trump-Administration Ende Februar angekündigt, alle trans*Menschen in den nächsten 30 Tagen aus dem US-Militär zu entlassen. Bis zu 15.000 Menschen sollen betroffen sein.
Es soll keinen sicheren Hafen mehr geben
In einem weiteren gelöschten Video auf der Stonewall-Seite erklärt Anne Stanley vom „Park Service“, dass sich im Park vor dem Stonewall Inn regelmäßig viele Jugendliche getroffen hätten. Sie spricht von der „LGBTQ-Jugend“. Der Park wäre „eine Art sicherer Hafen“ für die jungen Menschen gewesen, so Stanley.
Doch in den USA unter Donald Trump soll es für trans*Menschen offensichtlich keine sicheren Häfen mehr geben. Deshalb wollen die extremen Rechten auch jede Erinnerung und Erwähnung dieser Menschen auslöschen.
Der globale Feldzug gegen die trans*-Community
Und diese Angriffe gegen trans*Menschen und Drag Queens gehen weit über die USA hinaus. Sie sind inzwischen zum Playbook der globalen Rechten geworden. Und diese Angriffe sind oft buchstäblich tödlich. So ermordete etwa ein Faschist im Oktober 2022 gezielt zwei junge Männer, die vor einer LGBTIQ+-Bar saßen. Meinen Bericht aus Bratislava könnt ihr hier lesen.
Auch in Österreich und Deutschland agitieren extreme Rechte regelmäßig gegen die Community. Im April 2023 etwa marschierten Rechte, Faschist:innen und Verschwörungserzähler:innen vor der Rosa Lilla Villa auf – dem wichtigsten Zentrum der LGBTIQ+-Szene in Wien. Meinen Bericht von diesem Aufmarsch könnt ihr hier lesen. Die Polizei räumte den Rechten im Anschluss sogar noch den Weg für einen spontanen Aufmarsch frei. Gegen Antifaschist:innen und Journalist:innen (auch gegen mich) setzte die Polizei dabei Pfefferspray ein.
So geht die Wiener Polizei gegen Antifaschist:innen vor, die gegen einen rechten Aufmarsch protestieren. Eine Person liegt schon bewusstlos am Boden und wird erstversorgt. Dennoch rückt Polizei weiter Richtung der Person vor und sprüht noch Pfefferspray. Unverantwortlich! #w1604 pic.twitter.com/lOTMo9wl1e
— Michael Bonvalot (@MichaelBonvalot) April 16, 2023
FPÖ und AfD agitieren ebenfalls regelmäßig gegen trans*Menschen. In Österreich etwa fanden sich entsprechende Passagen im geleakten Entwurf für eine Regierung von FPÖ und ÖVP (die bekanntlich erst auf den letzten Metern gescheitert ist). Hier habe ich diesen Entwurf für euch veröffentlicht. In diesem Papier heißt es etwa, es gelte, „eine Frühsexualisierung von Kindern zu vermeiden“, weil damit Kinder angeblich „in Bezug auf ihr Geschlecht“ verunsichert werden könnten. Genau der gleiche Satz findet sich 1:1 bereits im Programm der FPÖ-ÖVP-Landesregierung in der Steiermark, die seit 2024 regiert.
Es sind klassische Phrasen der äußersten und der christlichen Rechten – die damit gleichzeitig gegen sexuelle Aufklärung agitiert. Obwohl gerade frühzeitige Aufklärung ein enorm wichtiger Schutz vor Übergriffen ist. Doch das ist diesem Personenkreis offenbar vollkommen egal.
Die Rechten werden die Zeit nicht zurückdrehen
Doch auch, wenn die Kämpfe gegen diese Angriffe für die betroffenen Menschen und ihre Unterstützer:innen enorm hart, frustrierend und belastend sind: Das Rad der Zeit lässt sich nicht mehr zurückdrehen. Ein Augenzeuge von Stonewall sagt etwa: „Es gab eine gewisse Schönheit in der Zeit nach dem Aufstand… Es war offensichtlich, zumindest für mich, dass viele Leute wirklich schwul waren, und, wissen Sie, es war unsere Straße.“
In einem Video, das nun ebenfalls gelöscht wurde, berichtet eine Frau, wie wichtig der Stonewall-Aufstand für sie gewesen wäre. Als sie davon im Radio hörte, hätte sie gleichzeitig auch zum ersten Mal erfahren, dass es andere Menschen wie sie geben würde. Das hätte alles verändert.
„Ich habe meine Bürgerrechte bekommen“
Nachdem bekannt wurde, dass die Trump-Administration trans*-Menschen von der Homepage gelöscht haben, kündigt die Community in New York sofort Proteste an. „Kein LGB ohne T“ heißt es in einem ersten Aufruf.

Bild: Michael Bonvalot
Stacy Lentz, Mitbesitzerin des Stonewall Inn schreibt dazu auf Instagram: „Wir werden nicht zulassen, dass sie trans*Menschen aus der Geschichte und aus der Existenz löschen! Es gibt keine Pride ohne trans*-Leute, die diesen Kampf anführen! Der Versuch, sie aus der Geburtsstätte der modernen LGBTQ+-Rechtebewegung auszulöschen, wird nicht passieren!“
Die Stonewall-Aktivistin Marsha P. Johnson soll bei ihrer Verhaftung gerufen haben: „Ich habe meine Bürgerrechte bekommen!“ Und nun sind diese Rechte wieder massiv gefährdet. Die einzig mögliche Antwort auf diese Angriffe ist eindeutig: Die Verteidigung der Rechte der LGBTIQ+-Bewegung und die vollständige Umsetzung der Gleichberechtigung. Damit endlich alle Menschen ohne Angst und selbstbestimmt leben und lieben können.
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