Fast die Hälfte der Lehrlinge wollen nach der Lehre nicht im Betrieb bleiben: Der neue Lehrlingsmonitor zeigt die Situation von Österreichs Lehrlingen. Die Betriebe kommen ziemlich schlecht weg.
Vier von zehn Lehrlingen wollen nach der Lehre nicht im Betrieb bleiben, fast die Hälfte davon nicht einmal im selben Beruf. Ein gutes Drittel kritisiert die Lehr- und Lernbedingungen im Betrieb. Und ein Fünftel der Lehrlinge hat sogar bereits ernsthaft darüber nachgedacht, die Lehre abzubrechen. Es ist ein äußerst bedenkliches Zeugnis, dass die Lehrlinge in Österreich ihren Ausbildungsbetrieben ausstellen.
Insgesamt 5253 Lehrlinge im letzten Lehrjahr hat das „Österreichische Institut für Berufsbildungsforschung“ in einer groß angelegten bundesweiten Studie über die Situation der Lehrlinge in Österreich befragt. Jüngst wurde der bereits dritte Lehrlingsmonitor bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Arbeiterkammer, Gewerkschaftsjugend und ÖGB präsentiert, Auftraggeber der Studie waren die AK Wien und der ÖGB.
Keine Verbesserungen
Im Vergleich zum vorherigen Lehrlingsmonitor im Jahr 2017 zeigt der nunmehr dritte Lehrlingsmonitor praktisch keine Verbesserungen. Weiterhin sagt fast ein Drittel der Lehrlinge, sie müssten immer oder häufig ausbildungsfremde Tätigkeiten leisten. Ein knappes Drittel der Lehrlinge muss Überstunden leisten, unabhängig vom Alter – obwohl Überstunden in Österreich für unter 18-jährige gesetzlich verboten sind. Drei Viertel der Lehrlinge in Österreich sind bereits zumindest einmal krank arbeiten gegangen.
Auch bei der sogenannten dualen Ausbildung, also der Verschränkung von Betrieb und Berufsschule, gibt es Probleme. Gerade einmal 64 Prozent der Lehrlinge geben an, dass sie wüssten, was sie bei der Lehrabschlussprüfung können müssen. Das bedeutet, dass mehr als ein Drittel der Lehrlinge sich nicht ausreichend informiert fühlen. Das sollte nicht weiter verwundern.
Weniger als die Hälfte der Lehrlinge (43 Prozent) sagen, dass es voll zutreffen würde, dass der Betrieb bei der Vorbereitung auf die Abschlussprüfung hilft. Gerade einmal ein Drittel aller Lehrlinge sagt, dass ihre LehrlingsausbilderInnen mit ihnen darüber geredet hätten, was sie bei der Prüfung können müssen.
Warum wollen solche Jobs wohl immer weniger Leute machen?
Immer wieder sind mediale Klagen von Unternehmen und Wirtschaftskammer zu vernehmen, dass sie zu wenige Lehrlinge finden würden. Insbesondere in Westösterreich wird auch geklagt, dass vor allem die Tourismusindustrie insgesamt zu wenige Arbeitskräfte finden würde. Der Lehrlingsmonitor könnte einige gute Anhaltspunkte dafür liefern, warum das so ist.
Insgesamt haben 21 Prozent der befragten Lehrlinge bereits „ernsthaft“ darüber nachgedacht, ihre Ausbildung zu beenden. Besonders häufig betroffen waren dabei die Branchen Tourismus, Freizeitwirtschaft und Handel – also Betriebe mit tendenziell äußerst unfreundlichen Arbeitszeiten und sehr schlechter Bezahlung.
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Gerade in diesen Bereichen sind Lehrlinge oft auch nichts anderes als besonders mies bezahlte Arbeitskräfte. In Supermärkten oder Gaststätten verrichten Lehrlinge oft sehr schnell genau die gleichen Tätigkeiten wie alle anderen KollegInnen – allerdings zu nochmals niedrigeren Löhnen, als in der Branche insgesamt gezahlt werden.
Aktuell wird im Sozialbereich in Österreich für eine 35-Stunden-Woche gestreikt. Doch auch Lehrlinge würden längst eine Arbeitszeitverkürzung und deutlich höhere Löhne verdienen. Damit – und mit einem wertschätzen Umgang – würde vermutlich auch die Arbeitszufriedenheit der Lehrlinge deutlich steigen. Und viele Betriebe könnten mit dem Gejammere aufhören, dass sie keine Arbeitskräfte finden.
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