Das EU-Parlament stimmt über den Asyl- und Migrationspakt ab. Wenn er durchgesetzt wird, werden geflüchtete Menschen in Internierungslager gesperrt.

Es ist ein weiterer Schritt der EU-Regierungen zur Abschottung gegen geflüchtete Menschen. Am Mittwoch wird im EU-Parlament über den jahrelang verhandelten Asyl- und Migrationspakt abgestimmt. Eine Mehrheit gilt als wahrscheinlich. Dafür sorgen wird die informelle Mehrheitskoalition aus Christ- und Sozialdemokrat:innen sowie der liberalen Fraktion.

Das Flüchtlingslager Röszke in Ungarn im Herbst 2015. Bild: Michael Bonvalot

Die Verhandlungen für diesen Pakt sind jahrelang weitgehend an der Öffentlichkeit vorbeigegangen. Eine Leerstelle, denn tatsächlich würde die Annahme und Umsetzung dramatische Verschlechterungen und Verschärfungen für geflüchtete Menschen bedeuten. Welche Maßnahmen sind nun im Einzelnen vorgesehen?

Von der Flucht ins Gefängnis

Schwerwiegende Folgen für geflüchtete Menschen hätte der neue Pakt bereits unmittelbar nach ihrer Ankunft in der EU. Denn alle Menschen, die aus Ländern kommen, wo die Asyl-Anerkennungsquote der EU unter 20 Prozent liegt, sollen sofort in haftähnliche Lager gebracht werden. Real also in Gefängnisse.

Eine völlig willkürliche Quote: Denn selbstverständlich kann jemand auch dann geflüchtet sein, wenn die EU-Rechtsprechung der Mehrheit der früher Angekommenen die Fluchtgründe abgesprochen hat. Bereits im Heimatland politisch verfolgte oder gar gefolterte Menschen, die eventuell schwer traumatisiert sind, würden sich nach ihrer Flucht damit erneut im Gefängnis wiederfinden.

Überflutung gilt nicht als Fluchtgrund

Dazu stellt sich die Frage, wie Flucht überhaupt definiert wird. So liegt etwa die Anerkennungsquote für Menschen aus Bangladesch derzeit unter 20 Prozent. Das Land, dass zu großen Teilen nur knapp über dem Meeresspiegel liegt, ist von der Klimakrise besonders betroffen. Die Folgen: Überschwemmungen, Versalzung der Böden, fehlendes Trinkwasser, Nahrungsmittelknappheit.

Sogar das deutsche Bundesministerium für die wirtschaftliche Zusammenarbeit schätzt, dass ein Fünftel der Landesfläche von Bangladesch dauerhaft überflutet werden könnte. Sprich: Dort kann schlichtweg niemand mehr leben. Doch die EU anerkennt das nicht als Fluchtgrund.

Keine realistische Chance auf anwaltliche Vertretung

Anschließend soll in einem Schnellverfahren über den Asylantrag dieser Menschen entschieden werden, dieses Verfahren soll maximal zwölf Wochen dauern. Doch in so kurzer Zeit – und noch dazu unter Gefängnis-Bedingungen – ist es kaum realistisch, dass jemand die eigene anwaltliche Vertretung organisieren kann sowie nötige Unterlagen und Beweise erbringen.

Dazu sind Menschen nach möglicherweise monatelanger Flucht auch einmal völlig erschöpft und noch gar nicht dazu in der Lage, sich darum zu kümmern. Wie der Standard berichtet, sollen nicht einmal Familien mit minderjährigen Kindern von diesem Schnellverfahren ausgenommen werden.

Einfach irgendwohin abschieben

Wer einen negativen Bescheid hat, soll binnen weiterer zwölf Wochen abgeschoben werden. Vorzugsweise in das Heimatland. Wo möglicherweise bereits Polizei oder Geheimdienste auf die Geflüchteten warten. Alternativ könnte die Abschiebung auch in einen sogenannten „sicheren Drittstaat“ erfolgen, zu dem die Menschen angeblich Verbindungen haben.

Doch dazu sollen auch noch die Kriterien gelockert werden, die bestimmen, welche Drittstaaten als sicher gelten. Sprich: Die EU-Regierungen werden künftig darauf drängen, dass immer mehr Staaten als angeblich sicher beschrieben werden.

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Und während der zwölf Wochen in Haft werden irgendwelche angeblichen Verbindungen der geflüchteten Menschen in diese Staaten gesucht werden. Was dort dann mit den Menschen passiert, kümmert die EU nicht mehr. Flüchtlingsorganisationen warnen mit guten Gründen vor Menschenrechtsverstößen in solchen Drittländern. Und hier gibt es noch ein weiteres Problem.

Jahrelang unschuldig im Gefängnis?

Was passiert mit Menschen, wo das Heimatland keine Erlaubnis zur Rückführung erteilt? Oder wo nicht klar ist, aus welchem Land die Menschen ursprünglich kommen? Oder wo sich keine angebliche Verbindung zu einem vermeintlich sicheren Drittstaat herausfinden lässt? Die Gefahr für die Zukunft ist offensichtlich: Menschen könnten über lange Zeit in Haft bleiben. Menschen, die keinerlei Verbrechen begangen haben.

Und hier geht es um enorme Dimensionen: Die Mitgliedsländer wollen laut Tagesschau zunächst 30.000 Plätze in diesen Lagern schaffen, nach vier Jahren sollen es bereits 120.000 sein.

Reaktion auf Krisensituationen

Nochmals verschärft werden sollen diese Bedingungen in sogenannten Krisensituationen. Das wäre dann der Fall, wenn große Gruppen von Menschen in kurzer Zeit ankommen. Etwa, weil in ihrem Land ein Krieg ausgebrochen ist. Dann dürften diese Menschen sogar noch länger in den Gefängnis-Lagen festgehalten werden.

Die Bilder der unmenschlichen Situation in den Lagern im griechischen Lesbos oder im italienischen Lampedusa sind um die Welt gegangen. Hier findet ihr einige meiner Recherchen aus Lesbos und Griechenland. Auf Lesbos habe ich mich selbst ins Lager geschmuggelt, die Zelte standen damals in glühender Hitze auf einem Abhang ohne Schatten.

Eltern erzählten mir, dass sie jede Nacht Angst haben, dass ihre Kinder aus dem Zelt nach unten in den Bach rollen. Und am Tag sei die Hitze unerträglich. Ein Mann zeigte mir seine Beine, die von Insektenstichen bereits schwer verletzt waren. Andere kamen gerade aus der Küche und gaben mir das Brot in die Hand, das sie soeben bekommen hatten – es war steinhart, nicht essbar. Und solche Lager sollen offenbar die Regel werden.

Menschen in Lager pferchen

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Denn die EU-Staaten wollen auch die Möglichkeit für Geflüchtete einschränken, nach der Erstaufnahme an der EU-Außengrenze in einen anderen EU-Staat zu wechseln. Dazu soll es den EU-Staaten auch erlaubt werden, den Aufenthalt von Asylsuchenden auf ein bestimmtes geographisches Gebiet zu beschränken.

Real wird das dazu führen, dass die Menschen jahrelang in Großlagern in Griechenland oder Italien zusammengepfercht werden. Und nicht einmal dabei könnte es bleiben: Das extrem rechts regierte Italien plant, die „eigenen“ Lager künftig in Albanien aufzubauen. Und Großbritannien will ein Lager in Ruanda errichten. Die Folge: Kontrollen durch Menschenrechtsorganisationen wären kaum noch möglich. Ebenso wie der Zugang der geflüchteten Menschen zu Anwält:innen und rechtlicher Unterstützung.

Scharfe Kritik an den neuen Plänen kommt von Menschenrechtsorganisationen, etwa von „Ärzte ohne Grenzen“ – und damit von einer Organisation, die buchstäblich täglich mit Menschen auf der Flucht arbeitet. Mit dem Asylpakt setze „die EU nun noch massiver auf Internierungslager, Zäune und Abschiebungen in unsichere Drittstaaten. Hier wird versucht, Verantwortung um jeden Preis auszulagern“, kritisiert Marcus Bachmann, humanitärer Berater bei Ärzte ohne Grenzen Österreich.

Erfreut von diesen Plänen zeigt sich dagegen ÖVP-Innenminister Gerhard Karner. Er meint, dass all diese Eingriffe auf grundlegende Menschenrechte „ein Schritt in die richtige Richtung“ wären, wie er im Dezember 2023 sagt. Und das ist wohl gleichzeitig auch eine gefährliche Drohung für die betroffenen Menschen. Denn diesen Verschärfungen könnten damit bald noch weitere folgen. Wenn die unmenschlichen Pläne der EU nicht gestoppt werden.

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