Immer mehr Menschen fordern ein Verbot von FPÖ und AfD. Was haben bisherige Verbote gebracht? Und was würde dann passieren?
Es ist eine verständliche Reaktion auf die widerliche Propaganda der extremen Rechten: Immer mehr Menschen fordern, dass diese Parteien verboten werden. Das würde bedeuten: Alle Mandate von Parteien wie FPÖ oder AfD würden für ungültig erklärt – im Bund, in den Ländern und in den Gemeinden. Bei künftigen Wahlen dürfte die Partei nicht mehr antreten. Dazu würde das Parteivermögen ebenso eingezogen wie alle Immobilien.
Gerade für Gegner:innen der extremen Rechten mag das verlockend klingen. Doch was würde dann real passieren? Sehen wir es uns an!
- Ein Kommentar von Michael Bonvalot
Die erste Reaktion wäre völlig klar: Innerhalb kürzester Zeit wären rechte Massen auf der Straße. Mit großer Wahrscheinlichkeit wären zivile Unruhen die Folge. Dazu würde es enorme Solidarisierungseffekte geben, weit bis ins konservative und bürgerlich-liberale Lager. Einige bekannte Politiker:innen der extremen Rechten würden vermutlich einfach schnell die Partei wechseln – ihre Ideologie würden sie in die neue Partei mitnehmen und dann dort verbreiten. Ein anderer Teil der extremen Rechten könnte in den Terrorismus abgleiten.
Was wäre durch das Verbot eines Wahlantritts gewonnen?
Befürworter:innen eines Verbots werden einwenden: Entscheidend sei dennoch, dass die extreme Rechte bei künftigen Wahlen nicht mehr antreten könne. Ihr Siegeslauf wäre damit gebrochen. Aber ist das wirklich so?
Tatsächlich gibt es dafür keinerlei Beleg. Was real passieren würde: Es würde wohl einfach eine neue Partei mit ähnlicher Ideologie gegründet. Oder sogar mehrere, die jeweils regional kandidieren würden. Um zu sehen, wie so etwas funktioniert, reicht ein kurzer Blick in die Türkei.
Das Beispiel Türkei: Wie Parteienverbote umgangen werden können
Dort verbietet der nationalistische Staatsapparat regelmäßig links-kurdische Parteien, denen eine Nähe zur verbotenen PKK nachgesagt wird. Die Folge: Die Bewegung tritt einfach unter immer neuen Namen an. Die entsprechenden Parteien werden bereits vorsorglich gegründet und bei einem Verbot aktiviert. Vor den letzten Parlamentswahlen im Mai 2023 etwa drohte das Verbot der linken Parlamentspartei HDP.
Flugs wurde eine weitere Partei aus der Hinterhand geholt, die inzwischen DEM heißt. Und schon davor hatte die Bewegung regelmäßig den Namen gewechselt, wenn Verbote drohten oder ausgesprochen wurden – so hieß die heutige DEM in der Vergangenheit bereits HADEP, HEDEP oder DEP. Die Wähler:innen wissen dann schon, welche Abkürzung gerade am Stimmzettel steht.
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Daraus lässt sich auch für Deutschland und Österreich eine wichtige Lehre ziehen: Wenn es bestimmte ideologische Strömungen in der Bevölkerung gibt, können die nicht durch Verbote in Luft aufgelöst werden. Die jeweilige politische Strömung wird einen Weg finden, sich bei Wahlen zu präsentieren.
Wie AfD und FPÖ ein Parteienverbot umgehen könnten
So könnten auch Führungskader von FPÖ und AfD einfach eine neue Partei gründen. Klar, die könnte nach einem langwierigen Verbotsverfahren eventuell ebenfalls verboten werden. Doch dann kommt eben die nächste Partei. Und dann die nächste. Alternativ könnten auch bereits existierende Parteien übernommen werden – in Deutschland würden sich die Werteunion oder die Freien Wähler anbieten.
Und dann gibt es natürlich noch eine weitere Möglichkeit: Die Kader der Rechtsaußen-Parteien treten organisiert in andere große Parteien ein. In Österreich würde sich dafür naturgemäß die ÖVP anbieten, in Deutschland stünde wohl vor allem Union hoch im Kurs. Doch auch die FDP könnte sich eignen, die hatte immerhin bereits Anfang der 2000er Jahre versucht, die FPÖ zu kopieren. Vor allem im Fall von Union und ÖVP entstünden damit große rechte Sammelparteien nach dem Vorbild Ungarns.
Genau das war übrigens auch der langfristige Plan der ÖVP nach der Übernahme durch Sebastian Kurz und seine Getreuen. Das sogenannte „Projekt Ballhausplatz“ der Kurz-ÖVP könnte also erst durch ein Verbot der FPÖ Wirklichkeit werden. Damit hätte sich zwar die Parteienlandschaft verändert – aber nicht die politische Gesamtstimmung. Tatsächlich wäre die Rechte mit einer weitgehend geeinten Partei wohl sogar noch deutlich stärker, wie das Beispiel Ungarn zeigt.
Ein kurzfristiges Verbot könnte die extreme Rechte langfristig stärken
Kurzfristig ist ein Verbot natürlich ein Rückschlag für jede Partei. Sie verliert ihre Mandate, ihre Positionen und viel Geld aus der Parteienförderung. Mittelfristig kann das alles aber wieder aufgebaut werden. Und mit dem Solidarisierungseffekt im Rücken würde die extreme Rechte an der Wahlurne vermutlich sogar wesentlich stärker zurückkommen.
Dazu kommt: Wer sagt, dass ein mögliches Parteienverbot von FPÖ und AfD rechtlich überhaupt durchgeht? Worauf soll es sich stützen? In Deutschland etwa ist sogar das Verbot der offenen Nazi-Partei NPD im Jahr 2017 gescheitert. Eine Auswirkung von Verbotsdrohungen aber ist schon jetzt klar: Die extreme Rechte könnte sich während des gesamten Verbotsverfahrens als Märtyrerin präsentieren – und damit Unterstützung, Stimmung und neue Aktivist:innen gewinnen
Die Namen sind austauschbar, die Inhalte bleiben gleich
Dazu könnten bereits während eines Verbotsverfahrens die Strukturen für eine neue Partei vorbereitet werden – samt dem Verschieben von Parteivermögen und Immobilien in parteinahe Vereine. Falls das nicht ohnehin schon lange geschehen ist. Wir erinnern uns an den Ibiza-Auftritt von Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, wo er die Möglichkeit von Spenden über parteinahe Vereine verraten hatte. „Am Rechnungshof vorbei“, wie Strache damals erläuterte. Also ohne staatliche Kontrolle.
Und auch bereits gewählte Abgeordnete könnten während eines Verbotsverfahrens zur Sicherheit einfach in eine neue Partei übertreten. Mit einer ähnlichen Masche hatte sich der Milliardär Frank Stronach in Österreich seine eigene Partei zusammenkaufen können, das „Team Stronach“: Er hatte einfach die parlamentarischen Reste der extrem rechten FPÖ-Abspaltung BZÖ übernommen. Alles über die zahlreichen Abspaltungen der FPÖ habe ich hier für Dich aufgeschrieben. Und falls zusätzlich Funktionsverbote für einzelne führende Politiker:innen verhängt würden: Es würden andere nachkommen.
Dass die Führer der extremen Rechten austauschbar sind, hat auch schon die Vergangenheit gezeigt. In Österreich etwa schien Jörg Haider als Lichtgestalt der FPÖ unersetzbar. Dann spaltete er seine eigene Partei und starb bald danach im Alkoholrausch an einem selbstverschuldeten Verkehrsunfall. Kurzfristig war die Spaltung ein Rückschlag, die FPÖ musste sich mit Heinz-Christian Strache als Parteichef neu aufbauen. Lange Zeit schien danach Strache unersetzbar. Dann kam Ibiza, auch Strache spaltete die Partei. Erneut: Ein Rückschlag.
Doch bei der Nationalratswahl im September 2024 hat die FPÖ mit 28,9 Prozent sogar das beste Ergebnis ihrer Geschichte geholt. Und falls der aktuelle Parteichef Herbert Kickl einmal weg ist, wird sich eben die nächste Figur finden. Die AfD in Deutschland ging als sehr junge Partei durch mindestens ebenso harte Fraktionskämpfe.
Sogar die meisten der 18 Gründer:innen vom Februar 2013 sind nicht mehr in der Partei – das betrifft auch die ersten drei Sprecher:innen der AfD, Bernd Lucke, Frauke Petry und Konrad Adam. Alle drei sind inzwischen ausgetreten. Doch der AfD hat es nicht nachhaltig geschadet: Die Führer:innen der Rechten sind eben letztlich nicht mehr als austauschbare Charaktermasken.
Der gefährliche Märtyrer-Effekt
Schon jetzt stellen sich Parteien wie die AfD oder die FPÖ in ihrer Propaganda als angeblich einzige Kämpferinnen gegen den „woken“ Staat dar. Das ist natürlich blanker Unsinn. Zum einen sind Staaten wie Deutschland und Österreich strukturell rassistisch aufgebaut, dazu braucht es keine extreme Rechte. Und zum anderen sind gerade Rechtsaußen-Parteien eng mit Wirtschaft und Industrie vernetzt. Das ist natürlich kein Zufall: Extrem rechte Parteien wie FPÖ und AfD sind strikt neoliberal.
Auch die Verharmlosung und Leugnung der menschengemachte Klimakrise durch die extreme Rechte hat oft wirtschaftliche Hintergründe. Die Auto-, Metall- und Chemieindustrie bedanken sich. Anti-System ist da also gar nicht. Doch ein mögliches Verbotsverfahren wäre Wasser auf Behauptungen der extremen Rechten, dass sie angebliche Kämpfer gegen „das System“ wären.
Daraus leitet sich übrigens auch eine andere Schlussfolgerung ab: Es ist für „die Linke“ nicht wahnsinnig schlau, gemeinsame Sache mit Großunternehmen zu machen, die angeblich „gegen Rechts“ sind. Denn das führt nur dazu, dass sich die extreme Rechte noch besser als angebliche Kraft „gegen das System“ verkaufen kann. Was im Übrigen bestenfalls humorvoll ist: Wohl kaum jemand ist mehr „System“ als die neoliberale extreme Rechte, die in Österrreich etwa von elitären Burschenschaftern dominiert wird, oft mit stinkreichem oder adeligem Hintergrund.
Was haben bisherige Verbote tatsächlich gebracht?
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In Österreich wurde 1988 die Neonazi-Truppe NDP (Nationaldemokratische Partei) verboten. Genauer gesagt: Der NDP wurde die Rechtspersönlichkeit als politische Partei aberkannt. Die Partei gründete sich als Abspaltung der FPÖ. An der Spitze der Südtirol-Terrorist und Burschenschafter Norbert Burger, ehemals Vorsitzender der FPÖ-Studierendenorganisation RfJ.
Nazi Burger war übrigens auch der langjährige „Vaterersatz“ von Heinz-Christian Strache, wie dieser später selbst sagte (Strache war jahrelang mit Burgers Tochter liiert gewesen). Was das Verbot der NDP gebracht hat? Real sehr wenig.
Zwei Jahre vor dem NDP-Verbot war in der FPÖ der deutschnationale Burschenschafter Jörg Haider an die Macht gekommen. Er positionierte die bis dahin eher verstaubte FPÖ, die von Nazis gegründet worden war, als rassistische Wahlmaschine. Ein perfektes Auffangbecken für viele frühere NDP-Leute. Einer von ihnen, Werner Königshofer, wurde später sogar Abgeordneter der FPÖ. Doch auch ohne Verbot wären viele NDP-Kader wohl vermutlich früher oder später zur erfolgreicheren FPÖ gewechselt. Und wer nach dem Verbot nicht zur FPÖ wollte, ging eben zu einer weiteren Neonazi-Gruppe.
Auch in Deutschland wurde schon einmal eine größere Nazi-Partei verboten: Die „Sozialistische Reichspartei“ im Jahr 1952. Verändert hat es nichts, ihr folgten die „Deutsche Reichspartei“ und die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD), die inzwischen als „Die Heimat“ auftritt. Die SRP konnte zwar verboten werden – doch die Kader wechselten einfach die Hülle. Eine ähnliche Entwicklung gab es auch später nochmals: In den 1990er Jahren wurde in Deutschland mehrere Neonazi-Organisationen verboten, darunter die „Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei“, die „Nationalistische Front“ oder die „Deutsche Alternative“.
Die Folge: Die deutsche Neonazi-Szene organisierte sich danach in – scheinbar nur lokal oder regional organisierten – „Freien Kameradschaften“. Doch inzwischen gibt es auch auf der Parteiebene neue Nazi-Angebote. Neben der NPD etwa „Der III. Weg“, „Die Rechte“ oder die „Freien Sachsen“.
In Österreich zogen Nachwuchs-Kader der Nazi-Szene rund um den niederösterreichischen Burschenschafter Martin Sellner Anfang der 2010er Jahre einen anderen Schluss aus behördlicher Repression: Sie traten einfach nicht mehr offen als Nazis auf und gründeten stattdessen die neofaschistische Gruppe Identitäre. Mit besten Verbindungen zur FPÖ. Auch hier: Die Kader wechselten einfach die Hülle.
Auch linke Parteien könnten verboten werden
Und schließlich stellt sich auch noch eine grundlegende Frage: Wieviel politische Macht sollen Staat und Justiz bekommen? Und ist es aus einer fortschrittlichen Perspektive wirklich klug, dem Staatsapparat die Macht zu geben, immer neue Parteien zu verbieten? Unter anderen Voraussetzungen könnte sich juristische Möglichkeiten für Parteienverbote sehr schnell auch gegen die Linke wenden. Dann sind es auf einmal nicht mehr extrem rechte Parteien, die verboten werden, sondern Parteien der Linken.
Und letztlich ist die Forderung an den Staatsapparat, Parteien zu verbieten, ohnehin nichts anderes als ein Ausdruck der eigenen Schwäche. Eine übergeordnete Instanz soll das Problem lösen. Doch so einfach funktioniert das eben in der Praxis nicht.
Die soziale Frage entscheidet!
Es ist nachvollziehbar, dass Menschen derzeit nach Wegen suchen, wie die extreme Rechte gestoppt werden kann. Doch Verbote sind schlicht keine Antwort auf die offenen Fragen. Tatsächlich würden sie mittelfristig und langfristig die extreme Rechte wohl nur noch stärker machen. Doch gibt es überhaupt Wege, die Rechte zu stoppen? Niemand hat eine Glaskugel! Und Gruppen, die behaupten, sie wüssten ganz genau, wie es geht, haben meist so um die zehn Mitglieder.
Doch sicher ist: Beim Rassismus passt kein Blatt Papier zwischen FPÖ, AfD und ihre Wähler:innen. Wer Wähler:innen der extremen Rechten aufklären will, dass diese Parteien doch rassistisch sind, wird höchstens begeisterte Zustimmung ernten. In Österreich etwa zeigen Umfragen seit Jahren, dass die Wähler:innen der FPÖ sogar diejenigen sind, die ihre Wahlentscheidung am ehesten vom Programm abhängig machen. Es ist zwar nicht davon auszugehen, dass sie es gelesen haben. Doch der Rassismus überzeugt. Es gibt allerdings eine offensichtliche Schwachstelle der extremen Rechten: Die soziale Frage.
Denn die AfD und die FPÖ sind eindeutige Parteien der Reichen. Und das ist der Programmpunkt, wo sie am weitesten von den tatsächlichen Wünschen vieler ihrer Wähler:innen entfernt sind. Hier gibt es die Möglichkeit für einen Bruch. Damit ist an sich natürlich noch wenig gewonnen. Auch sozial enttäuschte Rassist:innen bleiben immer noch Rassist:innen.
Doch was sich immer wieder zeigt: Wenn extrem rechte Parteien mit Forderungen nach niedrigeren Preisen, höheren Löhnen, besseren Arbeitsbedingungen oder Arbeitszeitverkürzung konfrontiert werden, ducken sie sich meist sehr schnell weg. Und an der Regierung setzen sie dann auch selbst brutalen Sozialabbau durch. Und das bringt die Parteien der extremen Rechten gleichzeitig in einen offensichtlichen Widerspruch zu Teilen ihrer eigenen Basis.
Ob es gelingt, daraus einen Bruch zu formen? Ob dieser Bruch dann nachhaltig ist? Ob in weiterer Folge auch andere Fragen erfolgreich angesprochen werden können, vor allem der Rassismus? Das ist ungewiss und viel spricht dagegen – vor allem der oft sehr tiefsitzende Wunsch nach Diskrimierung. Doch es ist immer noch realistischer als die Forderung nach Verboten.
Denn klar ist: Die soziale Frage ist die Flanke, die der extremen Rechten wirklich weh tut. Das mag nicht nach einer schnellen Lösung klingen – und das ist es auch nicht. Doch es ist ein Beginn.
Im Oktober 2024 umfangreich überarbeitet.
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