Warum ich es okay finde, über den Tweet von Sebastian Kurz zu lachen – und was das mit Kürzungen bei den Ärmsten zu tun hat.
Am 29.11. schießt die Twitter-Abteilung von Bundeskanzler-in-spe Sebastian Kurz (ÖVP) einen Tweet ins Netz, wo bemängelt wird, dass „Kinder nach der Volksschule nicht sinnerfassend lesen können“. Der Tweet beginnt allerdings selbst mit Grammatik- und Rechtschreibfehlern: „Haben klares Bekenntis (sic!) zum differenziertem (sic!) & leistungsförderndem (sic!) Schulsystem“.
Mir persönlich sind die Deutsch-Kenntnisse von Sebastian Kurz oder seinem/r Twitterfuzzi völlig egal. Es hat oft auch etwas sehr unangenehm Elitäres, wenn Leute über falsche Grammatik oder Rechtschreibung lachen. Doch im konkreten Fall geht es um den Kontext.
Ein wesentliches Element im Bildungsprogramm von Schwarz-Blau soll eine Bildungspflicht sein. Geplant sind offenbar Kürzungen bei Sozialleistungen, wenn bestimmte Ziele nicht erfüllt sind. Ich habe jahrelang mit konkret Betroffenen gearbeitet.
Ich habe selbst eine Lehre gemacht und im zweiten Bildungsweg studiert. Ich habe dann als Sozialarbeiter in Hauptschulkursen gearbeitet. Diese Jugendlichen sind beim ersten Versuch aus dem Bildungssystem gefallen. Diese Jugendlichen hatten eine Durststrecke und haben es im zweiten Anlauf meist erfolgreich geschafft. Sie und ihre Familien wären während der Durststrecke von den geplanten Kürzungen voll betroffen gewesen.
Die Folge: enormer Druck auf meist schon frustrierte Jugendliche. Wer aber glaubt, dass Bildung am besten durch Druck und soziale Existenzängste vermittelt wird, hat schlicht nichts verstanden. Und genau in diesem Kontext sehe ich den Tweet von Sebastian Kurz.
Denn wenn jemand Sozialabbau für Familien androht, wo Jugendliche Bildungsziele nicht erreichen und bei der Präsentation dann selbst einen Tweet voller Fehler produziert, finde ich durchaus, dass diese Absurdität zum Thema gemacht werden darf.