Die zehn Methoden des pseudo-objektiven Journalismus. Wie ihr sie erkennt. Und warum Journalismus mit Meinung und Haltung die bessere Alternative ist.
- Von Michael Bonvalot
„Der Typ“ sei „in keinster Weise objektiv“ und hätte somit „null mit Journalismus zu tun“. So kritisiert ein User meine Arbeit im Forum des „Standard“. Die österreichische Tageszeitung hatte darüber geschrieben, wie extreme Rechte und Corona-Schwurbler:innen meine Reportagen und Recherchen behindern.
Woher bei diesem User der Wind weht, ist für Eingeweihte schnell klar. Er nennt sich „TorcidaSplitrules“ – und outet sich damit als Anhänger der weit rechten kroatischen Fangruppe „Torcida“. Diese Anhänger von Hajduk Split nennen sich auch gern „Hajduk jugend“. Es ist eine Anspielung auf die Hitlerjugend.
„Objektivität“ = Berichte, wie wir es wollen
Doch der mutmaßlich rechte Recke stellt eine Behauptung auf, die immer wieder zu hören ist: Journalismus müsse doch objektiv sein. Oder zumindest so objektiv wie möglich. Alle Seiten sollen gehört werden und zu Wort kommen. Ich wäre in den Augen des rechten Torcida-Kameraden kein Journalist, weil ich „in keinster Weise objektiv“ wäre. Andere, etwa das rechte und ÖVP-nahe Medium „Exxpress“, erklären mich in Artikeln gern zum „Aktivisten“.
Einerseits soll damit meine Arbeit abgewertet werden. Doch auch hier winkt im Hintergrund die „Objektivität“. Besonders absurd übrigens bei einem Medium wie dem Exxpress, der selbst eine mehr als eindeutige politische Schlagseite hat. Und gerade die politische Rechte nützt den Objektivitäts-Trick generell gerne zum Angriff auf Medien.
So forderte etwa Ex-FPÖ-Chef Norbert Steger 2018 vom ORF eine „objektivere Berichterstattung“. Steger spielte unter Schwarz-Blau eine wichtige Rolle im ORF – wenige Wochen nach dieser Aussage wurde er Vorsitzender des ORF-Stiftungsrats. Die Drohungen des FPÖ-Manns waren eindeutig: Es würde ein Drittel der Auslandskorrespondent*innen gestrichen, „wenn diese sich nicht korrekt verhalten“. Als Beispiel nannte Steger die Berichterstattung zur Ungarn-Wahl, diese sei aus seiner Sicht „einseitig“ abgelaufen. Der Ruf nach „Objektivität“ ist hier also nichts anderes als der Ruf nach einem Rechtsruck.
Wir wissen, wo welches Medium politisch steht
Bezeichnend ist, wie die rechten Recken ihre Angriffe beginnen: Denn in Österreich – und weitgehend auch in Deutschland – gilt angebliche Objektivität quasi automatisch als Krone der journalistischen Schöpfung.
Dabei wissen wir in den allermeisten Fällen ganz genau, wo dieses oder jenes Medium politisch steht. Die große Mehrheit vor allem der Print-Medien in Österreich ist politisch eindeutig ausgerichtet: Bürgerlich, konservativ. Kein Zufall: Kurier und Profil etwa gehören teils der ÖVP-nahen Raiffeisenbank.
Raiffeisen, Kirche, Rechte
Zahlreiche Medien wie „Presse“, „Kleine Zeitung“ oder „Wienerin“ gehören der „Styria“, also der katholischen Kirche. Sowohl Raiffeisen wie die Kirche sind wichtige Eigentümergruppen in der österreichischen Medienlandschaft. Dazu der rechtsdrehende Boulevard von Krone, Ö24 und Co.
Viele Medien haben auch Redaktionsstatuten. Bei der bürgerlichen Presse etwa ist darin das Bekenntnis zu den „Grundsätzen der sozialen Marktwirtschaft, zur freien unternehmerischen Initiative und zum Leistungswettbewerb“ enthalten.
Gar nicht so unähnlich klingt es beim Konkurrenzblatt Standard. Die Blattlinie dort: Die „Stärkung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit des Landes nach den Prinzipien einer sozialen Marktwirtschaft“. Diese Bekenntnise zur aktuellen Wirtschaftsordnung und ihrer Profitlogik können nun gut oder schlecht gefunden werden. Doch klar ist: Es ist eine politisch-ideologische Vorgabe.
Der ORF ist aufgrund seiner Größe zwar etwas breiter aufgestellt. Doch auch dort werden Führungspositionen politisch besetzt, je nach Zusammensetzung der Bundesregierung. Unter Schwarz-Blau etwa sind zahlreiche FPÖ-Verbindungsleute im ORF in zentrale Positionen aufgestiegen. Und gleichzeitig hat die ÖVP ihre Positionen nochmals ausgebaut.
ORF-TV-Chefredakteur Matthias Schrom musste im November 2022 ja sogar seine Funktionen zurücklegen, nachdem seine Chats mit Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache bekannt geworden waren. Ein Schelm, wer denkt, dass sich all diese Postenbesetzungen nicht auf die Programmgestaltung auswirken.
Muss Journalismus objektiv sein?
Aber muss Journalismus überhaupt objektiv sein? Muss Journalismus wirklich eine Plattform für jeden Irrsinn gleichermaßen bieten? Oder kann es auch einen Journalismus geben, der sowohl professionell wie meinungsstark ist?
Im englischsprachigen Raum ist es absolut üblich, dass Medien vor Wahlen Empfehlungen für bestimmte politische Parteien oder Kandidat:innen abgeben. Das Konzept nennt sich „Endorsement“, also Empfehlung. Und viele weltweit bedeutende Medien haben selbst eine offene und eindeutige politische Schlagseite.
Offen parteiisch und dennoch professionell
Der US-Sender CNN etwa steht der Demokratischen Partei nahe, der britische Guardian sympathisiert mit dem rechten Flügel der Sozialdemokratie und den Liberal-Demokraten. Diese Positionen ziehen sich klar erkennbar durch die Berichterstattung der beiden Medienhäuser. Noch eindeutiger sind die weltweit renommierten Blätter Neue Zürcher Zeitung (NZZ) oder die deutsche Zeit.
Bei der schweizerischen Tageszeitung NZZ kann sogar der Erwerb von Aktien verweigert werden, wenn die Person nicht Mitglied der schweizerischen bürgerlichen Partei FDP.Die Liberalen ist. Oder zumindest eine „freisinnig-demokratische Grundhaltung“ nachweisen kann – Mitgliedschaft in einer anderen Partei als der FDP ist ein Ausschlussgrund. Und bei der Zeit ging es gar mitten in die Redaktion. Bei der deutschen Wochenzeitung war lange Jahre ein Ex-Politiker Herausgeber: Der ehemalige SPD-Bundeskanzler Helmut Schmidt.
Den Job trat er nur wenige Monate an, nachdem er am 1. Oktober 1982 als Bundeskanzler abgewählt worden war. Dennoch wird wohl niemand bestreiten, dass sowohl CNN wie Guardian, NZZ oder die Zeit professionelle journalistische Arbeit leisten. Tatsächlich kann es sogar sehr positiv sein, genau zu wissen, wo ein bestimmtes Medium politisch steht. So können Artikel, Berichte und Recherchen jeweils eingeordnet werden.
Er-sagt-Sie-sagt-Journalismus
Wer meint, dass tatsächlich alle Seiten gehört werden müssten, vertritt klassischen „Er-Sagt-Sie-Sagt“-Journalismus („He-Said-She-Said“). In Konsequenz bedeutet das: Der Klimawandel-Leugner müsste gleich prominent zu Wort kommen wie die Klima-Wissenschaftlerin. Der Corona-Schwurbler die gleiche Sendezeit erhalten wie die Epidemiologin. Der Neonazi ebenso selbstverständlicher Studiogast sein wie die Antifaschistin. Das ist, mit Verlaub, Bullshit.
Journalismus muss nicht alle Idiot:innen zitieren und alle Arschlöcher persönlich abholen. Gleichzeitig ist stumpfes He-said-She-said ohnehin eine Art von Journalismus, die sich vermutlich in wenigen Jahren selbst überlebt hat. Sie wird von künstlicher Intelligenz geschrieben werden: Presseaussendungen werden automatisiert durchsucht, daraus entsteht dann ein Artikel. Im Sportjournalismus gibt es solche Programme übrigens bereits jetzt. Doch guter Journalismus bedeutet nicht nur Recherche und Bericht, sondern auch Einordnung.
Es gibt zahlreiche blinde Flecken
Wenn Journalist:innen Berichte in die eine oder andere Richtung schreiben, muss es sich dabei keineswegs immer um bewusste Entscheidungen handeln. Auch die ethische und politische Überzeugung der Journalist:nnen spielen eine Rolle, ihre Herkunft, der soziale Status ihrer Eltern, ihr Geschlecht, ihr Alter und ihre sexuelle Orientierung. Es gibt blinde Flecken, die selbst gar nicht erkannt werden.
„Objektiver Journalismus“ ist also an sich bereits mehr Fiktion als reale Möglichkeit. Doch wie könnt ihr nun erkennen, wo angeblich objektiver Journalismus keineswegs objektiv ist? Eine Anleitung in 10 Punkten.
1. Welche Themen werden überhaupt berichtet?
Es ist logischerweise für jedes Medium unmöglich, über alle Ereignisse zu berichten, die täglich auf unserem Planeten passieren. Journalismus bedeutet also zwangsläufig immer Auswahl, die Selektion von Nachrichten. Welches Thema ist wichtig genug für einen Bericht? Zu welcher Pressekonferenz wird jemand geschickt? Welche zeitlichen und finanziellen Ressourcen fließen in welche Recherche? Liegt der Schwerpunkt der Berichterstattung auf Klatsch und Chronik oder auf Politik und relevanter Berichterstattung?
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Diese Entscheidungen von außen zu erkennen, ist besonders schwer. Wir wissen klarerweise nicht, was wir nicht lesen oder sehen. So hat der ORF etwa bis heute die bekannte Dokumentation „Tag für Tag ein Boulevardstück“ nicht ausgestrahlt. Es handelt sich um eine sehr sehenswerte Reportage über die Macht der Kronen Zeitung – und der ORF will hier offenbar keinen Konflikt. Gerade die Entscheidungen, welche Themen nicht berichtet werden, sind aber besonders schwerwiegend. Sie haben enormen Einfluss auf die Berichterstattung. Und bleiben verborgen.
2. Was hat überhaupt Nachrichtenwert?
Vor einiger Zeit hat die Boulevard-Zeitung Heute eine bemerkenswerte Meldung gebracht. Die heutige ÖVP-Ministerin Karoline Edtstadler hätte sich geschnitten und müsste deshalb ein Pflaster tragen. Nachrichtenwert? Null. Doch die Redaktion entscheidet sich, so etwas prominent ins Blatt zu rücken. Es ist eine Werbeeinschaltung für Edtstadler. Nicht mehr. Nicht weniger.
3. An welcher Stelle und wie prominent wird welches Thema berichtet?
Es macht einen großen Unterschied, ob ein bestimmtes Thema groß und ausführlich zum Aufmacher wird. Oder ob es in einer Kurzmeldung verpackt wird. Das ist nicht naturgegeben. Das ist eine Entscheidung der Redaktion. Sehr sichtbar wurde das etwa rund um die Chats von Ex-Presse-Chefredakteur Rainer Nowak mit ÖVP-Granden. So schreibt im Oktober 2018 Jim Lefebre, damals Pressesprecher im ÖVP-geführten Finanzministerium, über Nowak: „Rainer sagt: er kann seiner Redaktion nicht verbieten über etwas zu schreiben das in der APA steht. Er hat geschaut, dass es kein Seitenaufmacher wird.“
4. Aus welcher Perspektive wird eine Geschichte erzählt?
Laufend erscheinen in Medien Berichte zur Situation geflüchteter Menschen in Griechenland, vor allem auf der Insel Lesbos. Auch ich war mehrmals vor Ort und habe von dort berichtet. Ein solcher Bericht kann die Situation der geflüchteten Menschen im Mittelpunkt haben und ihre Geschichte erzählen.
Es könnte aber auch eine ausführliche Reportage über die Sorgen und Nöte lokaler Faschist:innen entstehen. Oder es werden Interviews mit Soldat:innen, Polizist:innen und Grenzschutz samt Patrouillenfahrt im Boot der Küstenwache. Beides wäre handwerklich korrekter Journalismus. Die Geschichte, die dann veröffentlicht wird, wird aber offensichtlich völlig anders sein.
5. Wer wird zitiert?
Es findet sich für so gut wie jede Meinung die passende (angebliche oder tatsächliche) Expertise. Neoliberale Journalist:innen werden etwa bei der Suche nach ExpertInnen gern auf die Industriellenvereinigung zurückgreifen. Andere werden vermutlich eher bei der Arbeiterkammer anrufen. Diese „Expert:innen“ geben dann ihre Sicht der Dinge wieder und „framen“ damit den Bericht entsprechen – geben ihm also die eigene Schlagseite. So hat etwa der Standard im Oktober 2021 mit einem Bericht aufgemacht. Titel: „Expertenkritik am niedrigen Preis des Klimatickets“.
Im Text dann als „Experte“ zitiert: Genau ein Mann. Dem Standard aber war die Forderung nach höheren Öffi-Preisen sogar eine Titelseite wert. Journalist:innen entscheiden, welche ExpertInnen sie überhaupt anfragen. Und sehr oft dienen diese Expert:innen dann dazu, das zu sagen, was die Journalist:innen selbst in angeblich objektiven Medien nicht sagen dürfen.
6. Wer kommt zu Wort?
Gerade in TV-Studiosendungen werden oftmals Personen mit völlig abstrusen Inhalten eingeladen. Das dient nicht zuletzt dazu, künstlich Kontroversen zu erzeugen – und damit die Einschaltquoten hoch zu jagen. Doch gleichzeitig bedeutet das auch, komplett randständige Positionen (etwa die Leugnung der Klimakrise) immer wieder prominent zu Wort kommen zu lassen.
Gestern hat mich #ServusTV eingeladen, um bei "#TalkimHangar7" zu diskutieren. Später habe ich erfahren, dass mein Gegenüber der bekannte rechte Kader Götz Kubitschek gewesen wäre. Ich habe abgelehnt – es gibt weder Grund noch Veranlassung, mit FaschistInnen zu diskutieren. 1/ pic.twitter.com/H6ftuQRLZB
— Michael Bonvalot (@MichaelBonvalot) April 3, 2019
Extreme Rechte setzen sich auch ganz bewusst zum Ziel, in solchen Sendungen vorzukommen. Sie wollen das sogenannte „Overton-Fenster“ verschieben – also ihre bis dahin im öffentlichen Diskurs inakzeptablen Positionen zur diskutierbaren Meinung machen. Journalist:innen, die solche Figuren einladen, geben sich selbst den Anschein der Objektivität. Doch tatsächlich sind sie Erfüllungsgehilfen.
7. Welche Informationen werden präsentiert?
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Medien und Journalist:innen entscheiden, welchen Meinungen sie wieviel Raum geben. „Objektiv“ wäre eventuell, alle Meinungen gleichermaßen zu Wort kommen zu lassen. Doch das ist natürlich schon rein technisch gar nicht möglich. Und es ist auch nicht wünschenswert.
Das Netz ist voll von absurden Verschwörungstheorien. Es wird immer ein paar verrückte und randständige Meinungen geben. Das bedeutet aber nicht, dass Corona-SchwurblerInnen, Hohl-und Flacherde-Fans oder Nazi-Ufo-Freaks unbedingt Sendezeit im Hauptabendprogramm bekommen müssen. Journalist:innen ordnen ein und entscheiden das.
8. An welcher Stelle werden welche Fakten präsentiert?
In vielen Fällen gibt es aber tatsächlich unterschiedliche Positionen, deren Erwähnung sehr wesentlich ist. Seien es die Positionen verschiedener Parteien. Sei es, dass das Medienrecht verlangt, dass etwa eine beschuldigte Person die Beschuldigung kommentieren darf. Doch auch hier haben Journalist:innen sehr viel Entscheidungsmacht.
Welche Stellungnahme wird an welcher Stelle im Text präsentiert? Welche Positionierung wird mit einer gegenteiligen Positionierung einer anderen Person gekontert? Welche bleibt unwidersprochen? Wer beginnt, wer hat das Schlusswort?
9. Womit beginnt ein Artikel und womit endet er?
Gerade längere Artikel und Reportagen beginnen oft mit einem „atmosphärischen“ Einstieg. Da darf es auch in ansonsten trockenen Artikeln etwas „menscheln“. Um die Geschichte „rund“ zu machen, endet der Artikel dann auch meist wieder mit der gleichen „Atmo“.
Doch wo es da menschelt, mit welchen Menschen und mit welchen Zitaten diese Menschen zu Wort kommen – das entscheiden die Journalist:innen.
10. Welche Bildsprache wird verwendet?
Die zentrale Bedeutung der Bildsprache wird oft völlig unterschätzt. Kürzlich habe ich über ein Gespräch gelesen, beteiligt waren ein Berater des reaktionären Ex-US-Präsidenten Ronald Reagan und ein Journalist. Der Journalist hatte während der Amtszeit von Reagan fürs Fernsehen ein bitterböses Stück über den Präsidenten produziert. Er war sehr verwundert, als sich der Berater dafür bedankte.
Bis der Berater es erklärt hat: Die meisten Leute würden sich den Text ohnehin nicht anhören. Aber es wären minutenlang Bilder von Reagan über die Bildschirme geflimmert.
Freispruch für Antifaschist in Wien! Der Vorwurf lautete, der Antifaschist mit Migrationshintergrund hätte Jakob Gunacker verprügelt, Nachwuchs-Kader der neofaschistischen Identitären und Sprecher ihrer Tarngruppe "Die Österreicher". 1/2
L.: Gunacker, R: Sellner, Mitte: Mistkübel pic.twitter.com/hbsUe73Pzl— Michael Bonvalot (@MichaelBonvalot) December 17, 2020
Player aus Politik und Wirtschaft versuchen, über die Bildsprache gewisse Botschaften zu vermitteln. Sie bieten immer häufiger eigene Pressebilder an, sie inszenieren ihre Auftritte. Journalist:innen können sich entscheiden, ob sie diesen Inszenierungen folgen oder die Bildsprache brechen. Und mit eigenen Bildern können Sie ebenfalls enormen Einfluss auf die Berichterstattung nehmen.
Die professionelle Grundlage muss stimmen!
Journalismus, der über Kurzmeldungen hinausgeht, kann so gut wie niemals tatsächlich objektiv sein. Das ist auch gar nicht wünschenswert. Wünschenswert wäre allerdings, wenn die eigenen Positionen jeweils offen dargelegt werden. Hier könnten Medien aus dem englischsprachigen Raum ein Vorbild sein.
Gleichzeitig ist Journalismus mit Meinung und Haltung selbstverständlich kein Widerspruch zur professionellen Arbeit. Ganz im Gegenteil, gerade dann gilt: Informationen müssen recherchiert werden. Beschriebene Fakten müssen gecheckt und gegengecheckt sein. Zitate müssen korrekt wiedergegeben werden.
Professionelle journalistische Arbeit ist die absolut notwendige Grundlage, auf der eigene Positionen präsentiert werden können. Journalismus, der sich ernst nimmt, kann aber gleichzeitig nicht bedeuten, wie ein Papagei verschiedene Positionen wiederzugeben. Guter Journalismus bedeutet Recherche, Einordnung, die Vermittlung von Hintergründen.
Geh raus und sieh nach, ob es regnet!
Journalist:innen verstecken sich oft hinter ihrer eigenen Geschichte. Doch tatsächlich sind manchmal die Journalist:innen selbst die Geschichte und die Quelle. „Die Zeitung xy hat erfahren, …“ ist letztlich doch nur eine absurde Umschreibung, wenn der Satz eigentlich lauten müsste „Ich habe gesehen, …“.
Es ist okay, die eigenen Wahrnehmungen auch darzustellen. Es ist okay, sichtbar subjektiv zu sein. Es ist okay, einzuordnen. Es könnte das Vertrauen in den Journalismus sogar eher stärken, wenn das auch offen gelegt wird.
Es gibt eine sehr kluge Aussage der beiden US-Journalisten Sam Kinch and Stuart Long zum Thema Journalismus. Ursprünglich ging es dabei um die Politik in Texas, später wurde die Aussage verallgemeinert und zu einer Art Lehrsatz umgestaltet:“Wenn eine Person sagt, dass es regnet und eine andere Person sagt, dass es trocken ist, ist es nicht Dein Job, beide zu zitieren. Es ist Dein Job, aus dem Fenster zu sehen und herauszufinden, was stimmt.“ Und genau so geht guter Journalismus.
Dieser Artikel erschien erstmals am 30.12.2020. Er wurde in Folge mehrmals überarbeitet und mit neuen Informationen ergänzt.
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