Die antisemitische Strache-Widmung hat einen burschenschaftlichen Hintergrund. Der mutmaßlich Beschenkte war offenbar ein verurteilter Neonazi.

Das Buch solle dem Beschenkten „einen Einblick in die jüdisch verworrene und machtlüsterne Gedankenwelt vermitteln“. Diese „Gegner“ müssten „studiert“ werden. Das Ziel: „ihre wirren Ideen entlarven und diesen entgegentreten“. Diese Widmung hat mutmaßlich Ex-Vizekanzler und Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache Anfang der Neunzigerjahre verfasst, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet. Zu 99,99 Prozent, wie ein Gutachter sagt. Einen höheren Wert geben seriöse GutachterInnen niemals an.

Das Buch zur Widmung trägt den Titel „Jüdische Bekenntnisse“, erschienen ist es erstmals 1941 im nationalsozialistischen Stürmer Verlag. Doch die hier signierte Ausgabe ist laut SZ ein Nachdruck aus dem Jahr 1992. Frühestens da kann Strache die Widmung also geschrieben haben.

Bild: Lea Gardner, SZ. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Süddeutschen Zeitung.

Unterschrieben ist die Widmung von „Heinz-Christian Strache v. Heinrich d. Gl.“ Das „v“ steht für „vulgo“, der Hinweis auf den Verbindungsnamen in einer Studentenverbindung. „Heinrich d. Gl.“ steht wohl für „Heinrich der Glückliche“ – es ist der Verbindungsname, den Strache in seiner Wiener Burschenschaft Vandalia trägt.

Neben der Unterschrift findet sich ein sogenannter Zirkel, ein burschenschaftliches Symbol. (Vielen Dank an dieser Stelle an die Süddeutsche Zeitung für die Erlaubnis zur Veröffentlichung der Bilder der Widmung.)

„Heil Vandalia“

Diese Form der Unterschrift passt auch zu den letzten Worten der Widmung: „Heil Vandalia“. Das ist der zweite burschenschaftliche Hinweis, es folgen weitere. So freue er sich etwa „auf viel [sic!] gemeinsame Kneipen“, schreibt der Autor der Widmung, also mutmaßlich Strache. Die Kneipe ist eine traditionelle Feier der einschlägigen Studentenverbindungen.

Ein Anwalt von Strache behauptet in einer Stellungnahme, dieser könne sich weder an das Buch noch an die Widmung erinnern. Doch in der Stellungnahme, die das Boulevardblatt Oe24 veröffentlicht hat, heißt es: „HC Strache kannte Herrn Franz Dempsy“. In den Artikeln der SZ wird der Name des Beschenkten allerdings nirgends genannt.

Auffällig ist also, dass Strache den Namen des mutmaßlich Beschenkten offensichtlich kennt und nennt. An keiner Stelle der Stellungnahme wird übrigens bestritten, dass die Widmung von Strache stammt. Auf meine Anfrage schreibt der Anwalt dann: Strache „meint sicher ausschließen zu können, Herrn D.[…] jemals ein Buch mit Widmung übergeben zu haben.“ Meint sicher können – sehr sicher klingt das nicht.

Der Anwalt schreibt den Namen aus – allerdings etwas anders als in der Stellungnahme, die Oe24 abgedruckt hat. „Dempsy“ hieß es in dieser ersten Strache-Stellungnahme. Nach meiner Anfrage wird daraus die korrekte Version. In einer früheren Version war hier der ausgeschriebene Name zu finden, auf Bitte der Familie habe ich das verändert.

Wer ist Franz D.?

Warum das wichtig ist? Über Suchmaschinen ist ein „Franz Dempsy“ schlicht nicht zu finden. Doch eine tiefergehende Recherche bringt Interessantes hervor. So hat im Jahr 1994 das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW) das äußerst umfangreiche „Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus“ aufgelegt.

Und auf Seite 234 findet sich dort ein „Franz D.“ – als Mitglied der „Volkstreuen Außerparlamentarischen Opposition“ (VAPO). Das ist die damalige militante Kadergruppe von Nazi-Führer Gottfried Küssel.

Brandanschlag

Jener Franz D. findet sich auch in anderen Büchern und Zeitschriften aus dieser Zeit. So etwa in „Aufbruch der Völkischen“, geschrieben vom inzwischen verstorbenen Journalisten Wolfgang Purtscheller. Das 1993 erschienene Buch galt in den 1990er Jahren – gemeinsam mit dem Rechtsextremismus-Handbuch des DÖW – als das Standardwerk zur österreichischen Neonazi-Szene.

Und hier wird es endgültig brisant: Denn D. wird dort nicht nur als VAPO-Aktivist, sondern auch in Zusammenhang mit einem Brandanschlag auf die BewohnerInnen des 1988 geräumten linken Hausprojekts Ägidigasse/ Spalowskygasse  im 6. Wiener Gemeindebezirk genannt. D. stand damals gemeinsam mit Küssel und anderen Neonazis vor Gericht, so Purtscheller. Diese Darstellung wird durch eine APA-Meldung vom 27.11.1991 bestätigt.

Der Anschlag erregt auch in der Linken Aufmerksamkeit: So berichtet das damalige autonome Zentralorgan „Tatblatt“ sowohl im März wie im Dezember 1991 über den Prozess. In beiden Artikeln wird D. ebenfalls namentlich als einer der Täter genannt.

Verurteilter Neonazi

D. wurde für diesen Anschlag dann auch verurteilt, schreibt Purtscheller in seinem Buch. In einem Gedächtnisprotokoll des Prozesses, das mir vorliegt, nennt einer der Mittäter D. gar als einen der Urheber des Plans für den Anschlag.

Auch auf einer Adressliste von Küssel, die die Zeitschrift „Wiener“ 1991 veröffentlicht hatte, steht der Name von D.. Und schließlich taucht Franz D. auch im Buch „Strache: Im braunen Sumpf auf“. Dort wird er der Burschenschaft Silesia Wien zugeordnet. Das passt zum burschenschaftlichen Spektrum – und würde einer Organisierung bei den Vandalen grundsätzlich nicht widerprechen.

Die Vandalen sind eine Schüler-Burschenschaft, die Silesen eine Burschenschaft für Studenten. Das ist für viele deutschnationale VerbindungsstudentInnen ein üblicher Weg: Nach dem Abschluss der Ausbildung sind sie dann „Alte Herren“ oder „Hohe Damen“ bei beiden Verbindungen. 1992, zu dem Zeitpunkt, wo Strache die Widmung frühestens verfasst haben kann, war Franz D. somit also offenbar ein verurteilter Neonazi-Straftäter.

Straches Anwalt schreibt dazu, dieser hätte „bislang keinerlei Kenntnis von einer strafrechtlichen Verurteilung des Herrn D.[…] bzw. solchen dieser Verurteilung vorausgegangenen Straftaten des Herrn D.[…].“ Strache hätte auch „keinerlei Kenntnis“ von „etwaigen politischen Aktivitäten des Herrn D.[…] für bzw. in der VAPO“.

Wie gut kannten sich Strache und D.?

Laut Straches Anwalt lernten sich Strache und D. während der Grundausbildung beim Bundesheer kennen. Später wären sie sich „ausschließlich anlässlich von studentischen Veranstaltungen“ begegnet, hätten aber nie „eine Freundschaft oder engere Bekanntschaft“ gepflegt.

Doch was bereits belegt ist: Anfang der 1990er Jahren verkehrte Strache im Neonazi-Milieu und nahm auch mindestens an „einer Art Wehrsportübung“ mit Küssel in Niederösterreich teil. In diesem Bundesland organisierte auch die VAPO gern ihre Wehrsportlager. Diese Teilnahme hat Strache bereits gegenüber den Journalistinnen Nina Horaczek und Claudia Reiterer zugegeben. Die Bilder von Strache mit Waffe und beim Schlagstocktraining aus jener Zeit sind ebenfalls bekannt. Wie weit Straches Organisierung ging, ist unklar.

Strache selbst behauptet, er sei beim Wehrsportlager der VAPO mehr oder weniger zufällig reingekommen und habe den Besuch abgebrochen. Zwei ehemalige Neonazis sagten der SZ dagegen 2017, dass bei den Wehrsportübungen „keiner von außen reingekommen“ sei, es habe sich um einen „geschlossenen Zirkel“ gehandelt. Als Gast reinschnuppern, sei unmöglich gewesen. „Keine Einladung ohne Empfehlung eines wichtigen Mitglieds“, habe die Formel gelautet.

Strache und die VAPO

Straches Anwalt sagt: Strache hätte „zu keinem Zeitpunkt an Veranstaltungen der VAPO bzw. an ‚einschlägigen Treffen und Lager‘ mit Herrn D.[…] teilgenommen.“ Küssel selbst sagte im Mai 2019 in einem Interview mit einer Neonazi-Zeitschrift dazu, er hätte Strache bereits kennengelernt, als dieser 14 war.

Strache hätte damals an Wahlkampfaktionen der Neonazi-Organisation „Ausländer-Halt-Bewegung“ teilgenommen. Strache hätte „im stillen Kämmerlein“ auch den „großen Nationalsozialisten gespielt“, es würde dazu „einige lustige Auftritte“ geben. Einzige Reaktion des damaligen Strache-Sprechers Martin Glier: „Kein Kommentar.“

Neonazis, Burschenschaften, Karrieren

„Rein in die Legalität“, schreibt der verurteilte Neonazi-Kader Franz Radl jun. seinem Kameraden Gottfried Küssel Anfang der 1990er Jahre aus dem Gefängnis. Der Hintergrund: Nach einer Serie von neonazistischen Briefbomben-Anschlägen nimmt der Fahndungsdruck auf die Szene immer weiter zu. Auch Radl steht deshalb vor Gericht, wird allerdings mangels Beweisen freigesprochen.

Daraufhin treten zahlreiche VAPO-Kader der FPÖ und verschiedenen deutschnationalen Studentenverbindungen bei (wenn sie nicht ohnehin bereits zuvor Mitglied waren). Einige davon, darunter auch Wehrsport-Kameraden von Strache, schaffen es bis weit nach oben.

Andreas Reichhardt, einer der Wehrsport-Kumpels von Strache, bringt es etwa in der Übergangsregierung von Kanzlerin Brigitte Bierlein zum Infrastrukturminister. Seine Studentenverbindung, die Wiener „Akademische Grenzlandsmannschaft Cimbria“, wies zahlreiche personelle Überschneidungen zur VAPO auf.

Küssel selbst organisiert sich im Wiener der Akademischen Turnerschaft Danubo-Markomannia. Franz Radl jun. wird Mitglied bei der einschlägig bekannten Wiener Burschenschaft Teutonia und dann sogar Sprecher des Wiener Korporationsrings (WKR). Das ist der Dachverband der meisten einschlägigen Studentenverbindungen in der Bundeshauptstadt.

Straches Kühnen-Gruß

Auch Strache und Radl dürften sich damals besser gekannt haben: Bekannt ist das Bild mit der Geste, wo Strache Ende der 1980er Jahre in Burschenschafter-Montur mutmaßlich den neonazistischen „Kühnen-Gruß“ zeigt (Straches angebliche „Drei Bier“). Weit weniger bekannt ist, dass Strache damals Franz Radl dermaßen einschlägig begrüßt haben soll.

Warum die Neonazis in die einschlägigen schlagenden Studentenverbindungen wie Burschenschaften, Corps, Landsmannschaften, Jägerschaften, Vereine deutscher Studenten, … eintreten, ist leicht erklärt: Diese Verbindungen sind real die akademischen Vorfeld-Strukturen der FPÖ, „Neonazis mit Latinum“ nannte Journalist Purtscheller die Verbindungsstudenten.

Auf den Buden der Verbindungen erhoffen sich die Neonazis Schutz vor polizeilicher Repression (zu Recht, wie sich zeigt) – und damit eben den Einstieg „rein in die Legalität“. Ideologisch gibt es ohnehin keine Probleme zwischen Neonazis in den Verbindungen und Neonazis außerhalb der Verbindungen.

Strache und die Burschenschaften

Auch Heinz-Christian Strache, zuvor tief im offenen Neonazi-Milieu, beginnt in diesem Zeitraum seinen Aufstieg in der FPÖ, in der „Legalität“. Als 1992 die neu aufgelegten „Jüdischen Bekenntnisse“ erscheinen und von ihm – frühestens – antisemitisch gewidmet werden konnten, ist er bereits Bezirksrat der FPÖ in Wien-Landstraße. Es ist ein großer Bezirk mit heute über 90.000 EinwohnerInnen. Nur ein Jahr später, 1993, wird Strache bereits zum Obmann dieser Bezirksorganisation.

Wie viele FPÖ-Kader ist Strache gleichzeitig auch Burschenschafter. Seine Verbindung ist die pennale Wiener Burschenschaft Vandalia – wir erinnern uns an die Zeile der Widmung: „Heil Vandalia“.

Pennale Burschenschaften, das sind Verbindungen für Schüler. Sie sind die Aufbau-Organisationen für eine spätere Mitgliedschaft in den Studentenverbindungen und damit für eine Karriere in der FPÖ. Strache fungiert in der Vandalia unter anderem als „Fechtwart“.

Ein Foto der Vandalen-Bude, das die SZ 2017 veröffentlicht hat, zeigt eine schwarz-weiß-rote Reichskriegsflagge, wie sie auch von Neonazis verwendet wird. Doch in den letzten Jahren ist Straches Vandalia in der Tigergasse 11 im 8. Bezirk auffällig auf Tauchstation gegangen.

Vandalen machen sich rar

Bei einem Lokalaugenschein, den ich im letzten Jahr vorgenommen habe, gibt es am Haus keinerlei Hinweise auf die Verbindung. Einzig ein Postfach im Inneren des Hauses mit der Aufschrift Vandalia zeigt, dass die Burschenschaft weiterhin hier ihre Bude hat.

Auch die Homepage der Vandalen verschwindet irgendwann 2016 endgültig aus dem Netz, ich habe die Seite allerdings gesichert. Bereits ab Dezember 2008 war nur noch eine Startseite mit dem Wappen der Verbindung und einer Mailadresse online. Kurz zuvor, im September 2008, waren die Wehrsport-Fotos von Strache aufgetaucht.

Möglicherweise wollten die Vandalen verhindern, dass Fotos ihrer Umtriebe veröffentlicht werden. Vor dem Dezember 2008 finden sich auf der Seite unter anderem Bilder der einschlägigen Gedenkveranstaltungen für den Nazi-Offizier Walter Nowotny am Wiener Zentralfriedhof.

Screenshot: Seite der Vandalia, inzwischen offline

Ebenfalls zu finden ist auf der Seite ein Foto, das mutmaßlich Strache zeigt, sowie eines von Ex-FPÖ-Klubchef Johann Gudenus. Der damalige Nachwuchs-Rechtsextreme ist ebenfalls Vandale und wird später Straches Co-Star im Ibiza-Video. In der Vandalia fungiert Strache als „Leibbursch“ für Gudenus, also als dessen Mentor.

Straches „Vaterersatz“

Auffällig ist auch, wen die Vandalen damals auf ihrer Homepage verlinken (in diesen Kreisen heißt es natürlich Heimseite und verweisen): Die einzige studentische Verbindung, auf die verlinkt wird, ist die Wiener Burschenschaft Olympia. Und die gilt als eine Anführerin der rechtesten Burschenschaften im gesamten deutschsprachigen Raum.

Einer der „Alten Herren“ der Olympen: Norbert Burger, bis zu seinem Tod 1992 ein zentraler Anführer der österreichischen Neonazi-Szene – und laut Strache, der längere Zeit mit Burgers Tochter liiert war, über Jahre dessen „Vaterersatz“.

„Viel gemeinsame Kneipen“

Bei den Vandalen schließt sich gleichzeitig der Kreis zur Widmung. Das Buch solle D. „einen Einblick in die jüdisch verworrene und machtlüsterne Gesellschaft vermitteln.“ Es wirkt wie ein Ratschlag, wie eine Leseanleitung, die ein Kader einem Neuankömmling gibt. Auch die SZ schreibt: „Der angeblich Beschenkte gehörte zum Milieu der deutschnationalen Verbindungen.“

Dazu wünscht Strache „viel [sic!] gemeinsame Kneipen“. Nicht etwa „noch viele“. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass der Beschenkte gerade neu Mitglied einer Studentenverbindung geworden ist – ein „Fuchs“, wie es in den Verbindungen heißt. Und nun erhält D. einen Schulungstext. Straches Anwalt dazu: „D.[…] war nie Mitglied der Studentenverbindung Vandalia“. Warum Strache sich dann auf „viel gemeinsame Kneipen“ freut und „Hoch Vandalia“ schreibt, bleibt offen.

Wohlgemerkt: Dieses Geschenk kommt offenbar relativ kurz nach der Verurteilung von D. und in einem Zeitraum, wo in einschlägigen Kreisen die Parole „Rein in die Legalität“ ausgegeben wird. Und die Vandalen sind eine Burschenschaft, wo mit Strache jemand sitzt, der in diesem Zeitraum mindestens so gute Kontakte in diese Kreise hat, dass er zu einem Wehrsportlager eingeladen wird.

An dieser Stelle nochmals Straches Anwalt: „Unser Mandant [hat] keinerlei Kenntnisse von den von Ihnen genannten etwaigen politischen Aktivitäten des Herrn D.[…] für bzw. in der VAPO.

Auch nach 1945 ein wichtiger Nazi

Neben der persönlichen Widmung für D. hat Strache auch noch zwei Gedichte bzw. Sinnsprüche hinzugefügt. Da ist einerseits ein Gedicht des österreichischen Nationalsozialisten Joseph Hieß. Es sei „nicht schwer in guten Tagen das Fahnentuch voran zu tragen“, heißt es in diesen Zeilen. Doch erst „wenn im Sturmwind die Fetzen knattern“ zeige sich „die Treue“.

Welche Fahne und welche Treue sich hier zeigen soll, darüber sollte es bei Hieß wenig Zweifel geben. Bereits 1923 wurde er in der österreichischen NSDAP aktiv, bis zu seinem Tod 1973 spielte er eine führende Rolle in der rechtsextremen und neonazistischen Szene.

Das mögen die Studentenverbindungen

So war Hieß etwa „Bundesdietwart“ des FPÖ-nahen Österreichischen Turnerbundes (ÖTB). Bundesdietwart, das ist der Begriff für den ideologischen Schulungsleiter der Gesamtorganisation. Daneben war Hieß auch noch Gründer des 1999 wegen NS-Wiederbetätigung aufgelösten Vereins „Dichterstein Offenhausen“, wie das DÖW im Jahr 2002 schrieb. Sein nationalsozialistisches Fahnen-Gedicht dürfte dabei in deutschnational-burschenschaftlichen Kreisen durchaus populär sein.

So findet es sich auch auf einer Couleurkarte der Wiener Studentenverbindung „Corps Arminia Turicensis“. Deren einstiges (?) Mitglied Harald Eisenmenger vulgo „Wahnfried“ hat es inzwischen bereits bis zum Generalanwalt in der österreichischen Generalprokuratur gebracht – und fiel etwa im skandalösen Prozess wegen Landfriedensbruch gegen den linken Aktivisten Josef S. auf.

Der verräterische Sinnspruch

Daneben hat Strache auch noch einen Sinnspruch angebracht: „Ein Volk zu sein das ist die Religion unserer Zeit!“ Dessen Autor, Ernst Moritz Arndt, ist ein früher deutschnationaler Agitator. Strache zitiert allerdings nicht vollständig.

Tatsächlich lautet das Zitat aus dem Jahr 1807, zu finden etwa in einer Biografie über Arndt: „Ein Volk zu sein, ein Gefühl zu haben für eine Sache, mit dem blutigen Schwert der Rache zusammenzulaufen, das ist die Religion unserer Zeit.“ Das „blutige Schwert der Rache“ bleibt bei Strache außen vor. Arndt ist, passend zum Geschenk Straches, auch ein glühender völkischer Antisemit.

So schreibt er etwa: „Die Juden als Juden passen nicht in diese Welt […], und darum will ich nicht, dass sie auf eine ungebührliche Weise in Deutschland vermehrt werden. Ich will es aber auch deswegen nicht, weil sie ein durchaus fremdes Volk sind und weil ich den germanischen Stamm so sehr als möglich von fremdartigen Bestandteilen rein zu erhalten wünsche.“

Plumpe Nazi-Propaganda

Schließlich wünscht Strache in seiner Widmung noch „ein fröhliches und besinnliches deutsches Julfest“ und „Heil Jul!“. Das Julfest ist ein altnordisches Winter-Fest, in einschlägigen Kreisen wird es bis heute gerne begangen. Der Hintergrund: Im NS-Regime wurde das Julfest als Ersatz für Weihnachten propagiert. Strache schreibt explizit „deutsches Julfest“.

Das Buch, das Strache hier mutmaßlich verschenkt, ist keines, „das man aus Versehen signiert“, wie die SZ zutreffend schreibt (€ Paywall). Bereits im zweiten Satz des Vorworts erklärt der Verfasser Hans Jonak von Freyenwald laut SZ, Ziel des Buches sei es, Einblick in die „Denkweise und zersetzende Tätigkeit dieses heimlichen Feindes des Menschengeschlechtes“ zu gewähren. Er meint damit Jüdinnen und Juden. Die Kapitelüberschriften lauten dann etwa: „Das verjudete England“, „Der Jude im Krieg“ oder „Jüdische Kriegshetze“.

Strache weiß, was er tut

Die Strache-Widmung zeigt, dass der spätere FPÖ-Obmann zu diesem Zeitpunkt bereits ein geschulter extrem rechter Kader ist: Da ist das Buch selbst, da ist der Text der Widmung, da sind die gewählten Zitate Auch andere Aspekte aus dieser Zeit zeigen genau diese Schulung und Überzeugung. Im November 1990 etwa schickt Strache, wiederum als „Heinrich der Glückliche“, eine Postkarte zum Gedenken an den Nazi-Ritterkreuzträger Robert Colli nach Wien, wie der Falter berichtet.

Nazi-Oberst Colli „hat seine Pflicht getan“, ist auf der Karte zu lesen. Die Postkarte stammt von der Burschenschaft Olympia, der Colli angehörte. Ein weiteres Foto zeigt den jungen Strache bei einer Burschenschaftsmensur. Hinter ihm eine Landkarte Deutschlands in den Nazi-Grenzen von 1939.

„Schenkelklopfer“ in der Holocaust-Gedenkstätte

Strache behauptet heute, er hätte sich vom Antisemitismus distanziert, frühere politische Ansichten seien „Jungendsünden“ [sic!], wie sein Anwalt in einer Stellungnahme schreibt. Das allerdings ist ebenso rechtschreibschwach wie wenig glaubwürdig.

So besuchte Strache etwa 2010 die jüdische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem, er will sich so offenbar öffentlichkeitswirksam vom Antisemitismus reinwaschen. Das Boulevardblatt Krone darf dazu die Hofberichterstattung übernehmen und Strache abfeiern. Was dort dann allerdings tatsächlich passiert, ist schlichtweg ein Skandal.

Denn als Kopfbedeckung trägt Strache in der Gedenkstätte sein Biertönnchen, also die Kopfbedeckung seiner deutschnationalen Burschenschaft Vandalia. Nach dem Auftritt berichtet der Standard unter Berufung auf rechte Burschenschafter, dass Straches Provokation in burschenschaftlichen Kreisen als „Schenkelklopfer“ gefeiert worden sei.

Die Verhöhnung der Opfer

Bei seiner Rede am WKR-Ball 2012 erklärt Strache dann gar: „Wir sind die neuen Juden“. Der WKR-Ball war der Ball des Wiener Korporationsrings der Verbindungen. Nach immer größeren Protesten wurde der Ball offiziell von der FPÖ adoptiert, heute ist der einschlägige Rechtswalzer bekannt als Akademikerball der FPÖ. Mit seiner Aussage will Strache auf die antifaschistischen Proteste gegen das einschlägige Vernetzungstreffen anspielen.

Attacken auf Buden der Verbindungsstudenten im Vorfeld der einschlägigen Zusammenrottung seien „wie die Reichskristallnacht gewesen“, behauptet Strache. Weil ein paar Burschenschafter wohl Ohrfeigen und ein paar Buden Farbbeutel bekommen haben, vergleicht Strache die Burschenschafter mit den Opfern der Nazi-Pogrome und den Millionen Opfern des Holocaust. Vor einem Publikum, das sich wohl zu einem Gutteil in der Tradition der TäterInnen sieht.

Das ist eine Verhöhnung und eine Relativierung des Holocaust. Und das ist genau die gleiche antisemitische Grundhaltung, die sich bereits Anfang der 1990er Jahre in Straches Widmung gezeigt hat.

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