Stöße, Drohung mit Festnahme und dann auch noch 3500 Euro Strafe. Jetzt behauptet die Polizei vor Gericht ernsthaft, dass sie mich so schützen wollte. Den Einsatzbefehl will sie aber nicht rausrücken.

Die Störer:innen aus der rechten Corona-Szene werden immer aggressiver. Schließlich kommt doch ein Polizeitrupp, nachdem zahlreiche Polizist:innen davor minutenlang zugesehen hatten. Doch nicht etwa, um die Pressefreiheit zu schützen. Stattdessen werde ich samt meinem Presseschutzteam und meiner Fotografin über etliche Meter weggestoßen. All das ist auf einem Video genau dokumentiert, das am Freitag im Wiener Verwaltungsgericht vorgespielt wurde.

Die Videos zeigen genau, was passiert ist

Dort habe ich eine sogenannte Maßnahmenbeschwerde gegen das Verhalten der Polizei bei einem rechten Corona-Aufmarsch am 10.09.2022 eingelegt. Einschlägige Figuren aus der Szene hatten mich auf der Wiener Ringstraße an der Arbeit gehindert – doch die eintreffende Polizei hat stattdessen mich entfernt. Unter dem Applaus, Gejohle und den triumphierenden „Auf Wiedersehen“-Rufen der Störer:innen. Die Polizist:innen wussten, dass ich Journalist bin. Ich habe meinen Presseausweis offen getragen und habe den amtsführenden Polizisten mehrmals darauf hingewiesen. Auch das alles ist auf mehreren Videos eindeutig dokumentiert, die im Gerichtssaal unter Vorsitz von Richterin Beatrix Hornschall teils auch vorgeführt wurden.

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Damit endete die Amtshandlung im September 2022 aber noch nicht. Danach wurden wir sogar eingekesselt und die Polizei verlangte Identitätsfeststellungen. Im Nachgang schickte die Polizei meinem Team und mir auch noch völlig absurde Verwaltungsstrafen: Insgesamt 3500 Euro wegen Gehens auf der Straße und einer angeblichen Störung der öffentlichen Ordnung. Um diese angebliche Störung sollte es am Freitag in Wien auch vor Gericht gehen – und die Argumente der Polizei-Anwältin waren abenteuerlich.

Die Polizei behauptet eine Störung, die es einfach nicht gegeben hat

Eigentlich hatte die Polizei selbst die Strafen wegen der angeblichen Störung bereits zurückgenommen. Ebenso zurückgenommen wurden die Strafen wegen Gehens auf der Straße. Es wäre auch allzu absurd gewesen: Die Ringstraße war zu diesem Zeitpunkt über die gesamte Breite gesperrt. Doch auch hier waren zuerst Einsprüche notwendig, eingebracht von meinem Rechtsanwalt Clemens Lahner und finanziell unterstützt vom Rechtsdienst des Presseclub Concordia. Im Nachgang klagt mich der amtshandelnde Polizist nun übrigens auch noch mit Streitwert 12.400 Euro, weil ich Videos retweetet und eingebettet hatte, wo die Amtshandlung zu sehen ist (Die gesamte Geschichte könnt ihr hier lesen.) Doch für meine Maßnahmenbeschwerde wurde die vermeintliche Störung seitens der Behörde dennoch wieder aufgewärmt.

Vor Gericht wurde es dann aber noch absurder. Nachdem die Videos gezeigt worden waren, wurde zuerst ich als Beschwerdeführer einvernommen. Und hier zeigte sich, dass die Polizei nun eine neue Strategie versuchte: Die angebliche Störung war in meiner Befragung auf einmal kaum mehr ein Thema für die Behördenvertreterin.

Wenn Schutz durch die Polizei wie eine Drohung klingt

Stattdessen gingen die Fragen an mich in die Richtung, ob die Polizei nicht zu meinem „Schutz eingeschritten“ wäre. Dabei kam es auch zu einem Wortgefecht, nachdem ich die Behördenvertreterin darum ersuchte, mir keine Worte im Mund zu legen und mich nicht zu interpretieren. Ähnlich spannend die Behauptung der Behördenvertreterin, dass ich mich dem Polizisten, der mich wegstieß, bis auf wenige Zentimeter genähert hatte. Tatsächlich aber ist auf den Videos eindeutig zu sehen, dass der Polizist mir immer wieder zu nahe kommt und mich mit Stößen aus dem Gleichgewicht bringt.

In der Gegenschrift der Behörde vor dem Verfahren war auch von „Wortkonfrontationen“ zwischen mir und der ersten Reihe der Polizei die Rede, die vor dem rechten Aufmarsch marschierte. Das sei passiert, bevor die Beamt:innen schließlich eingeschritten wären. Doch auch davon kann nach Sichtung der Videos keine Rede sein: Tatsächlich hatte ich mit diesen Polizist:innen keinerlei Kontakt. Zeitweise stellte sich ernsthaft die Frage, ob die Polizei ein anderes Video gesehen hat.

„Meine Sorge hat nachgelassen, als der Polizeieinsatz vorbei war.“

Der Versuch, dieses Verhalten der Polizei zum „Schutz“ umzudeuten, zeigte sich dann bei der Einvernahme der weiteren Zeug:innen, also meines Presseschutzteams und meiner Fotografin. Auch hier immer wieder der Versuch, die Einvernahme in die Richtung zu lenken, ob die Polizei nicht zu unserem Schutz erschienen wäre. Die Antwort meiner Fotografin in ihrer Einvernahme war wohl exemplarisch: „Für eine Sekunde habe ich mich sicherer gefühlt, als die Polizei gekommen ist.“ Das wäre dann aber sofort wieder vorbei gewesen, als sie gesehen hätte, wie die Polizei vorging. Ein anderer Zeuge, ein Mitglied meines Schutzteams, ergänzt: „Meine Sorge hat nachgelassen, als der Polizeieinsatz vorbei war.“ Teils musste mein Rechtsanwalt Lahner sogar einschreiten und darauf hinweisen, dass die Befragung der Behördenvertreterin eindeutig suggestiv sei.

Keine konkrete Antwort konnte die Behördenvertreterin auch auf Lahners Frage geben, wo denn nun eine Störung aus meinem Team oder von mir zu sehen sei. Es wäre vermutlich auch etwas schwierig geworden, eine solche Störung nachzuweisen: Schließlich zeigten die zahlreichen Videos, dass es eine solche Störung einfach nicht gegeben hat. Möglicherweise wurde das im Verlauf des Verfahrens auch der Behördenvertreterin immer eindeutiger bewusst.

Doch dann versuchte sie eine Argumentation, die für die Pressefreiheit in Österreich künftig tatsächlich gefährlich werden könnte. Sinngemäß argumentierte sie, dass das Einschreiten der Polizei ja bereits zeigen würde, dass die Ordnung gestört worden wäre. Denn ich hätte ein „Ärgernis bei den Teilnehmern“ ausgelöst. Doch was würde das bedeuten?

Eine Gefahr für die Pressefreiheit

Wenn diese Argumentation durchgeht, könnten rechte Störer:innen in Zukunft bei jeder Gelegenheit Journalist:innen an der Berichterstattung hindern. Dass die Pressefreiheit unabhängig davon gelten muss, ob sich jemand darüber ärgert, wäre hinfällig. Sobald dann die Polizei aufgrund der Störung einschreiten würde, wäre damit belegt, dass die Journalist:innen gestört haben. Das Einschreiten der Polizei würde somit zum Argument für das Einschreiten der Polizei. Ein gefährlicher Zirkelschluss.

Der erste Verhandlungstag am Freitag wurde nach der Einvernahme des letzten Zeugen aus meinem Team auf unbestimmte Zeit vertagt. Bei der nächsten Verhandlung sollen nun zumindest zwei Polizisten einvernommen werden: Der Polizist, der die Amtshandlung geleitet hat und mich gestoßen hat. Sowie der Offizier, der mutmaßlich den Befehl dazu gegeben hat.

Polizei will den Einsatzbefehl nicht vorlegen

Zum Schluss der Verhandlung beantragte mein Rechtsanwalt noch die Beischaffung des Einsatzbefehls der Polizei für diesen Tag. Denn darin würde sich, so Lahner, ein Passus finden, wonach die Polizei wusste, dass mit Angriffen auf Journalist:innen zu rechnen sei. Interessanterweise widersprach die Behördenvertreterin: Die Polizei will den Einsatzbefehl nicht rausrücken. Ob sie das muss, will Richterin Hornschall noch entscheiden.

Für Rechtsanwalt Lahner ist die Sachlage zum gesamten Verfahren klar: „Wenn die Polizei Befehls- oder Zwangsgewalt anwenden möchte braucht sie nicht nur eine entsprechende Rechtsgrundlage, sondern auch einen ausreichenden Anlass.“ Einen solchen Anlass hat es schlichtweg nicht gegeben, das sei durch mehrere Videos „eindeutig dokumentiert“. Die Amtshandlung war daher rechtswidrig, so Lahner. „Und daher gehen wir vor Gericht, um sicherzustellen dass die Polizei die Pressefreiheit respektiert.“

Das Verfahren hat jetzt schon eine enorme Bedeutung. Wenn die Polizei unter „Schutz der Pressefreiheit“ künftig versteht, dass Journalist:innen gestoßen werden, eingekesselt, mit Festnahme bedroht und dann auch noch mit absurden Strafen überzogen – dann bedeutet das wohl: Gute Nacht, Pressefreiheit in Österreich.

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