Die neofaschistische Gruppe Identitäre möchte in Wien-Margareten ein neues Zentrum aufbauen. Viele BewohnerInnen des Viertels sind damit nicht einverstanden – Nun haben sie sich zusammengeschlossen.

Der Saal am Dienstagabend ist übervoll beim ersten Treffen der neuen BürgerInneninitiative „Margareten gegen Rechts“. Rund 80 bis 100 Personen sind zur ersten Info-Veranstaltung über das neue rechte Zentrum gekommen – über 20 Menschen bleiben sogar vor der Tür, weil im Lokal einfach kein Platz mehr ist.

Der Grund des Andrangs: In Margareten, dem 5.  Wiener Gemeindebezirk, möchte die neofaschistische Gruppe „Identitäre Bewegung“ (IB) nun offenbar ihr lange angekündigtes Wiener Zentrum umsetzen. Der Keller eines Hauses in der Ramperstorffergasse 31 soll der Gruppe als neue Zentrale dienen.

Berichtet hatte über diese Pläne zuerst die antifaschistische Plattform „Recherche Wien“ – und dabei IB-Sprecher Philipp Huemer als „faschistische Plaudertasche“ bezeichnet. Der Hintergrund: Die Plattform Addendum hatte am 12. Jänner ein Rekrutierungsgespräch von Huemer mit einem angeblichen Interessenten veröffentlicht.

Huemer würde gerade von einer Baustelle kommen, heißt es dort: „Die IBÖ renoviert seit ungefähr zwei Jahren ein Haus in Wien, welches in Zukunft als Gemeinschaftszentrum dienen soll.“ Addendum steht im Besitz des rechtsdrehenden Milliardärs Dietrich Mateschitz.

NeofaschistInnen im Niedergang

Die Identitären befinden sich bereits seit einiger Zeit im steilen Niedergang, seit kurzem treten sie öffentlich gar unter einem neuen Namen auf. Die Frontorganisation nennt sich „Die Österreicher“ – das Manöver ist allerdings allzu leicht durchschaubar. So ging etwa erst vor zwei Wochen ein geplanter „Bürgertreff“ der „Österreicher“ in Wien-Leopoldstadt nach antifaschistischen Interventionen gehörig in die Hose.

Nun versucht die Gruppe offenbar, mit einem Zentrum irgendwie wieder einen Fuß auf den Boden zu bekommen. Gegenüber dem Kurier erklärt Margaretens Bezirksvorsteherin Susanne Schaefer-Wiery (parteilos, ehemals SPÖ), dass die Behörden über die Pläne für dieses Zentrum bereits informiert seien.

Das bestätigt Polizeisprecher Harald Sörös: „Es wird dort verstärkt beobachtet.“ Wie eine Bewohnerin des Hauses bei der Veranstaltung am Dienstag erzählt, soll als Eigentümer des Kellers ein Wiener Bau-und Immobilienunternehmer auftreten.

Bekannte Figur

Der Mann fiel bereits in der Vergangenheit immer wieder als Unterstützer der Identitären auf. Der Keller eines Hostels in Wien 15, das ihm gehört, soll den Identitären ebenfalls als Versammlungsraum dienen. Darauf machten AntifaschistInnen am 6. September 2019 etwa mit einer Demonstration vor dem Hostel aufmerksam.

Demo gegen den Identitären-Treffpunkt in Wien 15. Bild: Michael Bonvalot

Persönlich hätten die HausbewohnerInnen den Unternehmer aber noch nie zu Gesicht bekommen, sagt eine Anwohnerin bei der Veranstaltung am Dienstag. Die Wohnungen im Haus sind Eigentumswohnungen, doch „bei einer Eigentümerversammlung haben wir ihn noch nie gesehen“.

Sie erzählt, dass die BewohnerInnen des Hauses bereits seit drei Jahren versuchen würden, zu erfahren, wer den Keller nützen würde. Misstrauisch seien die Hausparteien schnell geworden: „Gleich zu Beginn wurden die Fenster zubetoniert, das ist uns sehr komisch vorgekommen.“

Ein Bauingenieur hätte dann nach mehreren Nachfragen erklärt, dass im Keller „eine Art Sportclub“ entstehen würde. „Der hat wie ein Burschenschafter ausgesehen“, erinnert sie sich. Die Behauptung des Bauingenieurs über einen „Sportclub“ könnte allerdings ein Hinweis auf Pläne der Identitären sein.

Mögliche Kampfsport-Trainings

Denn Erfahrungen mit Zentren der Gruppe zeigen, dass deren Lokale nicht nur zum Rekrutieren neuer Mitglieder und zur politischen Aktivität benutzt werden, sondern auch für Kampfsport-Schulungen.

In Wien soll die Gruppe bereits jetzt jeden Sonntag Boxtrainings organisieren. Das sagt IB-Sprecher Huemer bei seinem vermeintlichen Rekrutierungsgespräch zu Addendum. Und die aktuellen Kampfsportaktivitäten in Wien dürften kein Einzelfall sein.

Laut einem Bericht der Recherche Graz vom April 2017 gab es zu diesem Zeitpunkt Kampfsporttrainings der IB in Wien, Graz und Linz. Die Grazer Gruppe hatte auch schon Bilder vom Kampftraining mit Schlagstöcken veröffentlicht. Der österreichische IB-Sprecher Martin Sellner hatte per Facebook ebenfalls bereits zum „Grundlagentraining in (schlag)stockkampf“ (sic!) aufgerufen

AnwohnerInnen sind besorgt

„Margareten ist ein vielfältiger Bezirk, wo sehr viele Menschen solidarisch miteinander leben“, sagt Martin Gros von der BürgerInneninitiative Margareten gegen Rechts. Er zeigt sich im Gespräch mit mir besorgt, dass das Gebiet rund um das Kellerlokal ein „Angstraum“ für all jene werden könnte, die nicht ins Weltbild der NeofaschistInnen passen – also etwa Menschen mit Migrationshintergrund, Homosexuelle, Feministinnen oder Linke.

Bild: Michael Bonvalot

Besorgt zeigt sich auch eine weitere Anrainerinnen, die in einem Haus gleich gegenüber wohnt: „Mein Kind geht jeden Tag vorbei, das beunruhigt mich“ sagt sie. Ihr Sohn würde den Rechten sehr deutlich sagen, was er von ihnen hält, das könnte gefährlich werden.

„Das gesamte Haus kämpft dagegen“

Im betroffenen Haus selbst seien sich die Hausparteien sich in der Ablehnung des faschistischen Zentrums einig, erzählt die Bewohnerin: „Wir sind alle nicht glücklich, das gesamte Haus kämpft dagegen“, sagt sie. „Noch dazu ist der Keller auch von innen zugänglich, wir haben diese Leute damit im Haus.“

Wichtig ist ihr, dass in der Kommunikation zum möglichen IB-Zentrum immer vom Keller gesprochen wird und nicht von einem ganzen Haus. Ein kritisches Thema sind für sie allerdings die Anti-IB-Schriftzüge, die frisch am Haus angebracht wurden. Für die HauseigentümerInnen-Gemeinschaft wäre die Entfernung der Schriftzüge mit Kosten verbunden, gleichzeitig wurden vermutlich durch genau diese Schriftzüge viele Menschen im Viertel erst auf das Problem aufmerksam.

Bild: Michael Bonvalot

Daraus ergibt sich bei der Veranstaltung eine längere Diskussion, Vorschläge zu einer gemeinsamen Neugestaltung der Fassade entstehen. Hier bringt sich auch Valentin Hacken ein, der extra für die Veranstaltung aus Halle angereist ist.

Erfahrungen aus Halle

In dieser Stadt in Sachsen-Anhalt haben die Identitären mitten im Uni-Viertel über mehrere Jahre ein Hausprojekt betrieben, dass sie erst im vergangenen Herbst nach jahrelangen antifaschistischen Protesten aufgeben musste. Der Sprecher von „Halle gegen Rechts“ berichtet über die Erfahrungen im Aufbau einer antifaschistischen BürgerInneninitiative.

„Es ist ganz wichtig, Rücksicht auf die HausbewohnerInnen zu nehmen und sich mit ihnen zusammen zu setzen“, so Hacken. „Gleichzeitig müssen wir natürlich immer berücksichtigen, dass auch viele andere Menschen im Viertel betroffen sind.“

 

Er zeigt sich überzeugt, dass es „gute Mittel und Wege“ geben würde, die verschiedenen Bedürfnisse miteinander zu vereinen. Hacken unterstützt auch die Idee, dass sich mit einer möglichen Neugestaltung der Fassade die HausbewohnerInnen sichtbar positionieren könnten.

Heißer Frühling für die NeofaschistInnen

In der Diskussion folgen dann noch weitere Vorschläge für gemeinsame Aktivitäten. So wird etwa über ein mögliches antifaschistisches Stadtteilfest am nahe gelegenen Bacherpark nachgedacht. Weitere Planungen und Aktivitäten sollen bei einem nächsten Treffen besprochen werden, das bereits für den 19. März in der Bezirksvorstehung Margareten angesetzt ist.

Bereits der Zuspruch und die große Anzahl der TeilnehmerInnen beim ersten Treffen haben jedenfalls gezeigt: Wien-Margareten könnte für die NeofaschistInnen ein äußerst unangenehmer Boden werden.

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