Armut, Wohnen, Arbeit – statistische Daten sind enorm wichtig. Und nun will die ÖVP offenbar systematisch die Statistik Austria unter ihre vollständige Kontrolle bringen.
Die Statistik Austria ist in der Öffentlichkeit kaum präsent. Doch ihre Daten sind eine enorm wichtige politische Entscheidungsgrundlage und können oft auch sehr brisant sein, etwa wenn es um die Armut im Land gibt. Welche Analysen und Daten wann veröffentlicht werden, das entscheidet die Institution – bisher – selbst.
Wie nun bekannt wurde, gibt die Statistik Austria bereits seit dem 24. März ihre Daten vorab an das Bundeskanzleramt. Alle Pressemitteilungen über neue Erkenntnisse werden am Tag vor ihrer Veröffentlichung dem Generalsekretär im Bundeskanzleramt, Bernd Brünner, vorgelegt. Das berichtet der Standard. Wie praktisch für die ÖVP.
Ablenken oder täuschen
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) kann so etwa vorab für ihn positive Details aus den neuen Daten herausfiltern und diese zeitgleich in den Medien präsentieren. Eine weitere Möglichkeit: Am Tag der Daten-Präsentation ein anderes Thema zu „spielen“ und so von möglicherweise unangenehmen Daten ablenken.
Diese Vorab-Übergabe ist ein absolut ungewöhnlicher Vorgang. Die Behandlung von Daten ist auf EU-Ebene geregelt, es existiert ein Verhaltenskodex für alle nationalen statistischen Ämter. Statistische Stellen haben „alle Nutzerinnen und Nutzer gleich zu behandeln“ und ihnen „gleichzeitigen und gleichberechtigten Zugang zu statistischen Daten“ zu geben. „Jeglicher bevorzugte Vorabzugang an Externe ist beschränkt, stichhaltig begründet, kontrolliert und wird öffentlich bekannt gegeben.“
Die Leitung der Statistik sagt gegenüber dem Standard, das Bundeskanzleramt sei „Aufsichtsorgan und Eigentümervertreter“ – laut Gesetz ist das Kanzleramt allerdings keineswegs ein Organ der Statistik. Zusätzlich stellt sich die Frage: Wenn das schon bisher alles problemlos gewesen wäre, warum hat das Kanzleramt erst jetzt damit begonnen, sich diesen Zugriff zu verschaffen?
Die Statistik wird Türkis umgefärbt
Bereits unter Schwarz-Blau wollte die Regierung die Statistikagentur spätestens ab Anfang 2019 unter ihre Kontrolle bringen. Die gesamte Struktur der Statistik sollte damals umgebaut worden, auch der Vertrag des SPÖ-nahen Generaldirektors Konrad Pesendorfer wurde nicht verlängert. Seit damals gibt es eine Übergangsleitung. Nun soll der Ökonom Tobias Thomas der neue fachliche Leiter der Statistik werden, so der Standard. Und dessen politische Ausrichtung ist eindeutig: Thomas war bisher Leiter des Wirtschaftsforschungsinstituts Eco Austria, das von der Industriellenvereinigung finanziert wird.
Es sollte also nicht verwundern, dass sich Thomas in der Vergangenheit etwa wiederholt kritisch zur Berichterstattung über wachsende soziale Ungleichheit geäußert hat. Nach seiner Meinung wäre es problematisch, wenn Menschen gegenüber Märkten und Wettbewerb skeptisch seien. Auch zum Thema Wohnen hat sich Thomas bereits höchst problematisch geäußert, so der Standard. In einem Beitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hatte er gemeinsam mit Kollegen die Mietpreisbindung im Wiener Altbau kritisiert – obwohl im Artikel sogar explizit geschrieben wird, dass eine Freigabe teilweise zu höheren Mieten führen würde.
Machtposition
Wer die Kontrolle über die Statistik Austria hat, entscheidet auch darüber, zu welchen Themen besonders intensiv geforscht wird. Welche Teilaspekte in den Mittelpunkt gerückt werden. Wie und mit welchen Schwerpunkten Zahlen präsentiert werden. Das ist ein enorm mächtiges Mittel. Und offenbar will die ÖVP dieses Machtmittel gleich an zwei Fronten unter ihre Kontrolle bringen.
Einerseits wird ein – politisch offenbar genehmer – Ökonom aus dem Umfeld der Industriellenvereinigung der neue fachliche Leiter. Damit nicht genug, werden auch noch alle neuen Aussendungen der Statistik vorab an das Bundeskanzleramt geschickt. Eine solche „Message Control“ ist bereits von Schwarz-Blau nur allzu gut bekannt.
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