Nach dem Kongress der rechtsextremen „Verteidiger Europas“ in Linz beginnt nun die Recherche und Auswertung. Der Hinweis, dass ein Ordner einen Bezug zur Fanszene des SK Rapid hat, sorgte für Unruhe.
Die Recherche zu den TeilnehmerInnen und OrganisatorInnen des „Verteidiger“ Kongresses in Linz läuft auf Hochtouren. Bei einem der Ordner sind AntifaschistInnen aus Oberösterreich und Wien bereits fündig geworden: es handelt sich um eine bekannte weit rechts stehende Person aus Wels.
Auf seinem Facebook-Profil zeigt der Ordner deutlich seine Vorliebe für den SK Rapid Wien und für den bekannt rechten Fanclub „Rapid Club Wels / Patriotic Front Oberösterreich“. Dieser Fanclub ist zwar seit einigen Jahren von der Bildfläche verschwunden, doch das Posting mit einem Schal des Fanclubs auf dem Profil der Person datiert vom Jänner dieses Jahres.
Ich habe diese Informationen am 02.11. auf Twitter geteilt, dazu einen Link zu einem Posting von Uwe Sailer aus Oberösterreich, einem anerkannten Rechtsextremismus-Experten, von dem die Information zu diesem Ordner stammt.
Die Reaktion auf meinen geteilten Beitrag traf mich unerwartet. Die „Rechtshilfe Rapid“, eine Gruppe, die Rapid-Fans im Fall von Repression juristisch unterstützt, attackierte mich auf Twitter scharf und persönlich. Auch andere User, die in ihren Profilen als Rapid-Fans erkennbar sind, attackierten mich heftig.
Die erste Reaktion der Rechtshilfe Rapid lautete: „Weil es Austrianer wie @MichaelBonvalot gibt, die unentwegt versuchen, die Rapid-Szene als faschistisch darzustellen.“ Etwas später dann, nachdem ich freundlich eine persönliche Aussprache angeboten hatte: „da wir Ihre eigenwillige (journalistische) Arbeitsweise nun schon länger verfolgen, lehnen wir dieses Angebot dankend ab.“ Dazwischen lag eine längere Stellungnahme meinerseits, die hier nachzulesen ist.
Liebe @RH_Rapid! Gestern habe ich ein Posting des anerkannten Rechtsextremismus-Experten Uwe Sailer geteilt. Darin verweist 1/x #noeflinz pic.twitter.com/XYO82zoTGG
— Michael Bonvalot (@MichaelBonvalot) November 2, 2016
Antwort an die Rechtshilfe Rapid
Nachdem der Thread auf Twitter nicht für alle gut lesbar ist, hier der Text:
Liebe @RH_Rapid! Gestern habe ich ein Posting des anerkannten Rechtsextremismus-Experten Uwe Sailer geteilt. Darin verweist er auf eine Verbindung zwischen dem EF-Kongress und der rechten Welser Rapid-Szene. Eure Reaktion darauf überrascht mich sehr. Logisch wäre für mich, dem Verdacht nachzugehen und dann gegebenenfalls (zb via Verein) aktiv zu werden.
Stattdessen kritisiert ihr mich als Überbringer der Botschaft scharf. Ich habe auch keine Ahnung, ob Uwe Sailer überhaupt Fußball-interessiert ist. Ihr behauptet, dass ich „unentwegt“ versuche, die Rapid-Szene als faschistisch darzustellen Wenn ihr so etwas behauptet, würde ich euch ersuchen, das zu belegen. Wann, wo, wie? (Behauptungen von Einzelpersonen in kl FB-Gruppen zählen nicht, auch dort gibt es genug Leute, die meine Arbeit schätzen).
Ich recherchiere seit Jahren zu Nazi-Umtrieben in der Austria-Szene, niemand wird mir hier einen blinden Fleck [Anm: unterstellen können, das ging auf Twitter verloren]. (fragt nach, was der Verein von meinen Recherchen hält). Ich werde aber auch nicht schweigen, wenn es woanders Probleme gibt.Ich schätze eure Anti-Rep-Arbeit in Bezug auf §274 sehr. Gleichzeitig glaube ich, dass es für Fans immer wichtig ist, gerade beim eigenen Verein sehr genau hinzusehen. Die, die Recherche machen, sind nicht verantwortich für die Probleme. Liebe Grüße
Auf meine Nachfrage, wo ich unentwegt versuchen würde, die Rapid-Szene als faschistisch darzustellen, erhielt ich leider keine Antwort. Tatsächlich beschäftige ich mich seit Jahren mit dem Rechtsextremismus-Problem in der Kurve der Wiener Austria, also des Wiener Stadtrivalen von Rapid.
Eisern Wien
Rapid kam bisher in meinen Artikeln und Postings nur sehr am Rande vor. Wenn das der Fall war, dann vor allem da, wo es Kontakte zur Neonazi-Szene bei der Austria gibt. Zur Information für weniger Fußballinteressierte Menschen: die rechten Hooligan-Milieus der beiden Vereine arbeiten unter dem Motto „Eisern Wien“ seit vielen Jahren zusammen.
Warum ich mich vor allem mit Austria beschäftige, hat einen ebenso einfachen wie logischen Hintergrund: die Probleme mit Neonazis sind bei der Austria qualitativ auf einem komplett anderen Niveau als bei Rapid. Innerhalb der Szene der Austria können Neonazis sich politisch offen bewegen und politische Banner in der Kurve hissen.
Jüngst war das etwa beim Auswärtsspiel der Austria in Rom der Fall, wo über 90 Minuten eine Reichskriegsfahne vor den Sektor gespannt war. Anwesende AntifaschistInnen aus der Austria-Szene konnten die Fahne zwar thematisieren und wichtige Hinweise liefern, die Fahne während des Spiels aber nicht entfernen.
Bei Rapid gibt es demgegenüber eine Reihe von meines Erachtens durchaus problematischen Punkten. Das Problem ist aber derzeit auf einem qualitativ eindeutig nicht vergleichbaren Niveau wie bei der Austria, eine Gleichsetzung wäre offensichtlich unseriös. Das war bis in die Mitte der 1990er Jahre noch anders, damals war Rapid eines der Hauptziele für die Rekrutierung der österreichischen Naziszene. Diese Probleme sind aktuell in dieser Form eindeutig überwunden (allerdings gilt es zu bemerken, dass die Probleme mit Rechten bei Rapid nach meiner Einschätzung gerade wieder zunehmen).
Antifaschistische Fans unterstützen
Es gibt also weder unentwegte Versuche meinerseits, was Rapid betrifft, noch hätte ich irgend ein Interesse daran, eine Szene als Ganzes als faschistisch darzustellen. Im Gegenteil, jede/r AntifaschistIn in einer Fanszene verdient Unterstützung, das bedeutet natürlich auch, die vielen guten Ansätzen und engagierten antifaschistischen Fans in allen Kurven auch sichtbar zu machen.
Und selbstverständlich geht es auch nie darum, die komplette AnhängerInnenschaft irgendeines Vereins in irgendein Licht zu rücken. Das wäre auch völlig absurd (und gehört eher in den Bereich dümmlicher Fan-Propaganda). Die Entscheidung, welchem Verein wir die Daumen drücken, fällt zumeist auch ohnehin weit früher als jede politische Entscheidung und ist davon völlig unabhängig (da zählen ganz andere Faktoren, etwa Eltern, Kindergarten/Schule/Park, Ort des Aufwachsens, aktuelle Erfolge des jeweiligen Vereins, …)
Mein politisches Hauptaugenmerk gilt aber ohnehin eindeutig der Austria, der ich auch schon eine ganze Reihe von kritischen Artikeln gewidmet habe. Interessanterweise erinnern die aktuellen Reaktionen mich aber sehr stark an die ersten Reaktionen, als ich begonnen habe, zum Rechtsextremismus in der Austria-Szene zu recherchieren und Artikel zu veröffentlichen.
Das Problem waren offensichtlich für Teile der Austria-Szene weniger die Nazis als der Umstand, dass jemand beginnt, darüber zu sprechen und zu schreiben. Auch die Austria selbst reagierte sehr unwirsch, Gespräche mit der Pressestelle waren nicht immer sehr angenehm.
Absurd finde ich dabei die Reaktionen mancher antifaschistischer Fans der beiden Fanlager. Offensichtlich kann nicht sein, was nicht sein darf. Doch die Aufgabe von antifaschistischen AktivistInnen und JournalistInnen betrachte ich nicht darin, blinde Flecken zu (re)produzieren. Und selbstverständlich gibt es bei Rapid, bei der Austria und in den anderen großen Fußballstädten Österreichs bei allen Vereinen engagierte AntifaschistInnen. Ich denke, dass hier eine weit engere Zusammenarbeit und Vernetzung wichtig und klug wäre.
Solidarische Vernetzung
Gerade Fußball-Szenen sind für Außenstehende oft schwer zu durchschauen und zu überblicken. Es gibt sehr wenig Schriftliches, vieles wird einfach nur in den jeweiligen Szenen mündlich weitergetragen. Recherchen in diesen Szenen bedeuten also einen enormen Aufwand und große Vorsicht, eben weil vieles von InformantInnen abhängt, die sich auch bei bestem Willem einmal irren können. Gerade deshalb ist solidarische Vernetzung und gegenseitige Unterstützung bei der Informationssammlung sehr wesentlich.
Auch ich selbst könnte meine Recherchen nicht machen, wenn ich nicht gute Kontakte bei der Austria, bei Rapid, in Graz, Innsbruck, Linz und Salzburg hätte. An dieser Stelle auch ein großer Dank an all diese Menschen, deren Namen aus guten Gründen nie genannt werden können.
Doch gerade, weil diese Szenen verschlossen sind, kommt den AntifaschistInnen in diesen Szenen eine hohe Bedeutung zu. Sie haben es in der Hand, ob Informationen weitergetragen werden oder unter den Teppich gekehrt. Und am Besten ist natürlich immer, wenn die Fans der eigenen Szene die Probleme thematisieren, weil dann weniger Abwehrreflexe kommen. (Wobei ich solche Reflexe gleichzeitig für problematisch halte. Für mich steht die Information im Vordergrund, nicht, aus welcher Fanszene ich sie erhalte).
Mein Verständnis dabei ist, dass gerade beim eigenen Lieblingsverein besonders genau hin gesehen werden sollte und problematische Entwicklungen auch veröffentlicht werden sollten. Wer das nicht tut, besorgt meines Erachtens das Geschäft der Nazis, die sich im Dunkeln am Besten entwickeln können – bis es dann zu spät ist und eine Fanszene kippt.
Wer das nicht will, sollte selbst das größte Interesse daran haben, beim eigenen Verein laut und unbequem zu sein, damit wir uns nicht über Nazis ärgern müssen, sondern uns 90 Minuten lang an der schönsten Nebensache der Welt erfreuen können: dem Spiel mit dem runden Leder.
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