Wofür steht die Bierpartei? Kommt mit Dominik Wlazny eine neue linke Alternative? Oder ist die Bierpartei in Wirklichkeit gar nicht so links? Der große Bierpartei-Test auf einer Skala mit zehn roten Sternen!

Die Bierpartei würde gerne zur Nationalratswahl antreten. Das hat Parteichef Dominik Wlazny alias Marco Pogo angekündigt. Die Bedingung: 20.000 neue Mitglieder oder rund 1,2 Millionen Euro an Spenden. Ein reichlich gewagtes Ziel. Zum Vergleich: Die Grünen hatten (Stand 2017) nach eigenen Angaben gerade einmal rund 7000 Mitglieder.

Doch wer sich überlegt, Mitglied einer Partei zu werden, wird – hoffentlich! – vorher wissen wollen, wofür diese Partei überhaupt steht. Ich habe es für euch recherchiert!

Ist die Bierpartei links?

In der Öffentlichkeit gilt die Bierpartei als eher links. Aber ist das so? Das ist tatsächlich gar nicht so einfach zu beantworten. So wurde Parteichef Wlazny im Frühjahr 2022 bei seiner Antritts-Pressekonferenz zum Wahlkampf für die Bundespräsidentschaft gefragt, wo er sich politisch verorten würde. Seine Antwort: Die „Geschichte mit dem politischen Spektrum“ sei für ihn „obsolet“.

Die Bierpartei würde er zwar als „progressive Kraft“ sehen. Doch die angeblich „alte Einordung in Rechts Links“ jucke ihn „eigentlich relativ wenig“. Dann versucht Wlazny, die Frage mit einem seichten Scherz abzuwenden: Er stünde „in der Mitte“, das sei auch in der Bar der beste Platz.

Dass das nicht nur so dahingesagt ist, zeigt ein Interview mit dem Falter im November 2022. Da bekräftigt Wlazny noch mal, dass er „mit dieser ganzen politischen Rechts-links-Einordnung nichts mehr“ anfangen könne. Es folgt ein weiterer seichter Scherz. Auf die Frage, ob er im Parlament links sitzen würde, antwortet er, er würde sich „eher in der Kantine“ sehen.

Welches Programm hat die Bierpartei?

So gut wie alle Parteien haben ein öffentlich verfügbares Parteiprogramm. Klar, die Wähler:innen sollen ja wissen, was sie wählen. Die Bierpartei ist da eine sehr auffällige Ausnahme.

Auf ihrer Homepage ist einfach kein Programm zu finden. Dort finden sich ausschließlich einige wenige Schlagwörter („Themen„) sowie die Anträge der Bierpartei in verschiedenen Wiener Bezirksparlamenten. Schließlich gibt es noch einige Videos von Parteichef Wlazny zu verschiedenen Themen.

Die Bierpartei sitzt gegenwärtig in elf Wiener Bezirksparlamenten – und große Wiener Bezirke haben soviele Einwohner:innen wie die größten Städte außerhalb der Hauptstadt. Die Bierpartei ist damit vermutlich die einzige Partei in Österreich, die bedeutende lokale Mandate hat, aber kein Programm. Das ist schon extrem dünn.

Und was ist mit den vielen Interviews?

Ergänzend gäbe es natürlich noch Aussagen Wlaznys bei Fernsehauftritten und Interviews. Doch die verschiedenen Medien-Interviews mit Wlazny sind nicht immer einfach zu finden: Oft stehen sie hinter einer Paywall oder sind überhaupt nicht mehr verfügbar (ORF!). Das ist also für potentielle neue Mitglieder nur schwer zumutbar oder überhaupt machbar. Die Homepage der Partei wird damit für mögliche Neu-Mitglieder die erste Anlaufstelle sein.

Dazu kommt: Ausformulierte – und im Idealfall demokratisch beschlossene – Standpunkte einer Partei sagen klarerweise weit mehr aus als Sprüche des Vorsitzenden bei einem Interview. Apropos: Die Bierpartei ist eine enorme One-Man-Show. Wlazny und sein Vater können dort beinahe alles allein bestimmen, wie das Profil berichtet. Die Parteisatzung macht es möglich. Dazu wird der Vorstand laut Satzung übrigens gleich auf vier Jahre gewählt. Das ist verdammt lange.

Zusammengefasst: Bei diesem Test werden vor allem die inhaltlichen Aussagen unter die Lupe genommen, die auf der Homepage der Bierpartei verfügbar sind. Wir haben da zwar recht wenig, mit dem wir arbeiten können.

Versuchen wir es trotzdem! Das ist der große Bierpartei-Test!

Armut

Auf der Themenseite der Partei wird der aktive „Kampf gegen Kinder- und Familienarmut“ gefordert. Chancengleichheit soll offenbar auch im möglichen Nationalratswahlkampf 2024 das Hauptthema zu werden. Das zeigt die Pressekonferenz mit Wlazny am 18. Jänner. Also: Klassische „linke“ Themen.

Dazu gibt es ein Video von Wlazny zur Armut, vor allem zur Kinderarmut. Er macht sich offenbar Sorgen um jene, die es nicht mehr schaffen würden. Wlazny nennt dabei allerdings vor allem „die verschwindende Mittelschicht“. Und das ist ein Problem.

Denn der Begriff „Mittelschicht“ ist eigentlich völlig unklar. Einige Definitionen umfassen auch Menschen, die so richtig gut verdienen – mehr als das doppelte des mittleren Einkommens in Österreich.

Doch während Wlazny zwar das Schlagwort „Mittelschicht“ bemüht, nennt er in seinem Video auch die tatsächlich Betroffenen. In Anlehnung an die Volkshilfe fordert er eine „Kindergrundsicherung“. Dazu fordert der Parteichef auch Maßnahmen gegen die Teuerung (welche?), eine „echte Mietpreisbremse“ (wie?) sowie den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen.

Ergebnis: Wlazny ist hier auf jeden Fall bemüht und das Thema ist ihm offensichtlich ein ehrliches Anliegen. Allerdings bleibt er oft bei der Problemanalyse stehen, Lösungen sind kaum zu hören. Und wenn, dann sind sie sehr allgemein formuliert. Dennoch: Das ist nachvollziehbar „links“.

Sieben von zehn roten Sternen

☆☆☆

Aufrüstung, Polizei und Militär

Eher überraschend für eine „progressive“ Partei scheint Wlazny einem Beitritt zur NATO nicht abgeneigt. Auf der Themenseite der Partei findet sich zum bewaffneten Staatsapparat nur eine dünne Frage: „In der Verfassung steht: Wir müssen uns selbst verteidigen. Können wir das?“ Enorm auffällig: Es ist die einzige Frage im Themenbereich, überall sonst werden zumindest Schlagworte geliefert. Das ist vermutlich kein Zufall, sondern sehr bewusst so verschwommen formuliert.

Denn im Präsidentschaftswahlkampf forderte Wlazny „mehr Geld“ für das Bundesheer und sorgte sich darum, ob das Bundesheer einsatzbereit wäre, um „unsere Grenzen“ zu sichern. Das könnte auch von der ÖVP, der FPÖ oder von SPÖ-Rechtsaußen Hans Peter Doskozil kommen.

Dazu will Wlazny eine „breite Sicherheitsdebatte”, Österreich würde sich hinter der Neutralität „verstecken“. Das sind ziemlich genau die Argumente jener Kreise, die in Österreich den NATO-Beitritt wollen.

Ergebnis: Aufrüstung, NATO-Beitritt und noch mehr Militär an der Grenze sind wohl eher keine Forderungen, die Linken schmecken werden. Ganz im Gegenteil. Und zum Thema Polizei(gewalt) fällt der Partei gar nichts ein.

Null von zehn roten Sternen

☆☆☆☆☆☆☆☆☆☆

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Bildung

Bildung soll einer der Schwerpunkte des Nationalratswahlkampfes der Bierpartei werden. Die drei Schlagworte auf der Homepage sind klassisch progressive: „Bildungsgerechtigkeit für alle“, „Chancengleichheit durch spätere Trennung des schulischen Bildungsweges“ sowie die „Förderung von Bildungseinrichtungen als Orte Integration, Diversität und Inklusion“. Das ist das 1×1 fortschrittlicher Bildungspolitik. Zwar nicht mehr, aber immerhin das 1×1.

Ergänzend gibt es ein Video von Wlazny, wo er etwa zu Recht das „hierarchische Denken“ im österreichischen Schulwesen kritisiert. Dieses hierarchische Denken würde auch die Chancengleichheit behindern, daran könne auch „die beste Lehrkraft wenig daran rütteln“. Bildung sei in Österreich auch überdurchschnittlich stark vererbt, der Erfolg österreichische Schulkinder wäre damit stark „von sozialen Faktoren“ mitbestimmt. Ein korrekter Befund, dem jedenfalls zuzustimmen ist.

Wlazny spricht dazu auch die Möglichkeit von Gesamt- und Ganztagsschulen an und wünscht sich, dass in der Schule verstärkt Themen wie „Klimawandel, Kriege, Digitalisierung, Migration, Inflation“ angesprochen werden.

Ergebnis: Wie auch bei allen weiteren Themen bietet die Bierpartei auch bei der Bildung nicht mehr als Schlagworte. Doch diese Schlagworte bilden jedenfalls klassische linke Positionen ab. Und Wlazny verknüpft das Thema Bildung auch klar und nachvollziehbar mit der sozialen Frage.

Acht von zehn roten Sternen

☆☆

Drogen – Entkriminalisierung

Die Frage der Entkriminalisierung von Cannabis bewegt sehr viele Menschen. Gerade jüngere Menschen wird das interessieren – und die sind sicher eine Zielgruppe der Bierpartei. Dazu hätte Wlazny als Arzt bei diesem Thema ohne Zweifel auch eine gewisse Expertise. Doch die Partei schweigt sich dazu auf ihrer Homepage komplett aus.

Ergebnis: Was nicht einmal da ist, kann auch nicht bewertet werden.

Null von zehn roten Sternen

☆☆☆☆☆☆☆☆☆☆

Frauen

Auf der Themenseite der Partei wird das Recht für Frauen zur Entscheidung über den eigenen Körper eingefordert und verteidigt. Hier geht es natürlich um das Recht auf Abtreibung und das ist gut so. Ebenfalls gefordert wird die „Gleichberechtigung in allen wirtschaftlichen und sozialen Belangen“, der „Schutz und Respekt für marginalisierte Gruppen“ sowie der „Kampf gegen Gewalt an Frauen“. Das sind sinnvolle und gute Forderungen.

Im Präsidentschaftswahlkampf gab es auch jeweils ein Plakat zur schlechteren Bezahlung von Frauen sowie zu Gewaltdelikten gegen Frauen. Dazu gibt es noch ein eigenes Video von Wlazny, wo er ausführlich über Frauenmorde (Femizide) spricht und informiert.

Bild: Michael Bonvalot

Dabei spricht er auch einen wichtigen Punkt an: „Gewalt gegen Frauen ist nicht, wie es so oft heißt, milieubedingt.“ Er kritisiert „Rechtsaußen-Parteien“, die das Thema rassistisch aufheizen würden. Wlazny: „Das stimmt einfach nicht. Manche Täter sind einheimisch, manche kommen aus dem Ausland.“

Ergebnis: Das Problem von Gewalt gegen Frauen dürfte Wlazny ein echtes Anliegen sein. Die wenigen anderen Forderungen gehen aus linker Sicht jedenfalls in die richtige Richtung.

Sieben von zehn roten Sternen

☆☆☆

Gesundheit

Parteichef Dominik Wlazny ist Arzt, gerade beim Thema Gesundheit könnte er also enorm punkten. Dazu wird das Thema für viele Menschen immer drängender. Stichwort fehlende Gynäkolog:innen, Kinderärzt:innen oder Orthopäd:innen mit Kassenvertrag. Doch überraschenderweise bleibt die Bierpartei hier komplett an der Oberfläche. Gefordert wird die „bestmögliche medizinische Versorgung“. Sorry, das ist eine Nullaussage, die so oder so ähnlich in jedem österreichischen Parteiprogramm stehen könnte.

Bild: Michael Bonvalot

Auf seiner Pressekonferenz zur Nationalsratswahl ergänzt Wlazny, dass eine „goldene Kreditkarte“ nicht die Tür zu einer besseren medizinischen Versorgung werden dürfe. Weitere Forderungen: Ein angemessenes Betreuungsverhältnis zwischen Ärztinnen und Patientinnen (was ist angemessen?), die Umsetzung der Pflegereform sowie „faire Entlohnung“ (was ist fair?) und „wertschätzende Arbeitsbedingungen“ in den Gesundheitsberufen. Zur Pflege, die vor allem Frauen betrifft, gibt es dagegen nicht einmal einen Satz.

Ergebnis: Insgesamt bleibt das alles völlig unkonkret. Die wenigen Schlagworte gehen aus linker Sicht zweifellos in die richtige Richtung. Doch gerade bei einem Kernthema von Wlazny ist das gleichzeitig ziemlich wenig.

Sechs von zehn roten Sternen

☆☆☆☆

Klimakrise

Wlazny spricht in einem seiner Videos über die sogenannten Klima-Kipppunkte. Er hat also offenbar die Dringlichkeit der Klimakrise erkannt. Er sagt völlig richtig, dass der Klimawandel den Wettstreit um Ressourcen wie „Wasser, Nahrungsmittel und Weideland“ verschärfen würde. Das würde zu noch mehr Krisen, Konflikten und Fluchtbewegungen führen.

Wlazny sagt auch, dass es bei der Klimakrise um „unsere Zukunft“ gehen würde. Völlig korrekt. In einem weiteren Video über das Skifahren in Österreich wünscht sich der Bierpartei-Chef vor allem, dass er selbst weiter Skifahren könne. Als konkrete Forderung schlägt er vor, auf „Nachhaltigkeitsbeurteilungen der Skigebiete“ zu achten. Skigebiete und Politik sollten auf Klimaschutz setzen. Bei der letzten Präsidentschaftswahl lautete ein Slogan der Partei: „Warum stehen in Tirol 1245 Skilifte, aber kein einziges Windrad.“

Wirkliche Handlungsstrategien und Lösungen allerdings bietet Wlazny in seinen Videos keine an. Er sagt zwar, dass „Handlungen auf politischer und auf wirtschaftlicher Ebene“ unumgänglich seien. Welche das sein sollen, bleibt völlig unklar. Ähnlich schwach ist die „Themen“-Seite der Partei. Einen „Klima“-Punkt gibt es dort nicht einmal. Beim Thema „Alltag“ wird zumindest der „Ausbau des öffentlichen Verkehrsnetzes gefordert“ (wie, wo, in welchem Ausmaß?).

Unter dem Schlagwort „Energie“ finden sich dann gerade einmal zwei Forderungen: Einerseits die „Umsetzung der Pariser Klimaziele“. Also die Begrenzung der globalen Erderwärmung auf maximal 2 Grad Celsius gegenüber vorindustriellen Werten. Dazu sehr schwammig eine „umweltfreundliche, nachhaltige Energiepolitik für ein klimaneutrales Österreich“.

Ergebnis: Die Bierpartei erkennt das Thema zwar an. Doch die Antworten werden der Dramatik der Klimakrise überhaupt nicht gerecht. Das ist zu wenig.

Vier von zehn roten Sternen

☆☆☆☆☆☆

LGBTQI+

Die Rechte von queeren Menschen kommen weder auf der Themenseite der Bierpartei noch in Wlaznys Videos vor. Einzig in einem Video zum Rechtsruck in Europa wird der rechte Kampf „gegen LGBTQ-Rechte“ mit exakt diesen drei Worten erwähnt.

Ergebnis: Was nicht da ist, kann auch nicht bewertet werden

Null von zehn roten Sternen

☆☆☆☆☆☆☆☆☆☆

Rassismus, Migration und Flucht

Es ist für sehr viele Menschen eine zentrale Frage: Wie steht eine Partei zu geflüchteten Menschen und Menschen mit Migrationsbiografie? Wlazny tritt zwar gern im „FCK NZS“-Shirt auf, also dem Slogan „Fuck Nazis“. Doch reicht das?

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Es ist sehr überraschend, dass das Thema auf der Seite der Bierpartei einfach nicht vorkommt. Auch schon bei der Kandidatur zu Präsidentschaftswahl war diese Frage der Bierpartei auf insgesamt acht Plakaten keine Erwähnung wert. Der einzige Hinweis: Im Bezirksparlament von Simmering hatte die Bierpartei 2021 einen Antrag gegen die Abschiebung von Kindern eingebracht, die in Österreich geboren sind.

Wlazny selbst sitzt für die Partei in Simmering im Bezirksrat, das hat also Gewicht. Und aus linker Sicht ist es auf jeden Fall eine berechtigte Forderung. Aber auch sehr spezifisch. Was ist mit Kindern, die nicht in Österreich geboren sind?

Dazu gibt es noch ein Video von Wlazny, wo er die Frage stellt, warum Europa nach rechts rücken würde und Beispiele aus verschiedenen EU-Ländern gibt. Er erwähnt den „Kulturkrieg“ der extremen Rechten, etwa „gegen Menschenrechte, gegen Wokeness, gegen LGBTQ-Rechte, gegen Abtreibung, gegen Feminismus, gegen die Wissenschaft, gegen die WHO, gegen den Islam“. Der Sozialabbau rechter Regierungen dagegen nicht im Focus. Nicht erwähnt werden übrigens auch konservative Parteien wie die ÖVP, die immer weiter nach rechts abgleiten.

Wlaznys Lösung zum Umgang mit extremen Rechten: „Es brauche einen anderen Umgang der traditionellen Parteien untereinander, ein Anpacken statt aufeinander draufhauen“. Tatsächlich ein enorm unpolitischer Appell ohne jede Substanz. Und dann wird es – offensichtlich unfreiwillig – etwas ironisch. Denn Wlazny fordert auch „konkrete Vorschläge zur Lösung aktueller Probleme“. Er selbst gibt allerdings keinerlei konkrete Vorschläge.

Kurz erwähnt wird die Frage auch bei einer Pressekonferenz im September 2022. Da fordert Wlazny die „Bekämpfung von Rassismus“ und eine menschliche Asylpolitik. Okay. Doch was soll das konkret heißen?

Einige Aussagen zum Thema gibt es von Wlazny schließlich in einer „Elefantenrunde“ zur Bundespräsidentschaftswahl im ORF am 11. September 2022. Dort fordert er eine „geordnete Zuwanderung“ und wünscht sich mehr Fachkräfte, etwa für die Pflege. Doch was ist mit Menschen, die aus menschenunwürdigen Zuständen flüchten und keine Ausbildungen in diesen Bereichen haben oder wollen?

Da sagt Wlazny, „wir“ könnten „nicht alle aufnehmen“ und will „Menschen schneller wieder in sichere Staaten zurückbringen“. Übersetzt kann das nur heißen: Schnellere Abschiebungen.

Ergebnis: Es ist überraschend, wie dünn die Bierpartei bei diesem zentralen Thema aufgestellt ist. Wo es konkreter wird, werden sich für Linke viele Fragen stellen. Einige Schlagworte und ein T-Shirt sind zu wenig. Sorry.

Drei von zehn roten Sternen.

☆☆☆☆☆☆☆

Tierschutz

Kommt auf der Seite der Bierpartei einfach nicht vor. Im Präsidentschaftswahlkampf 2022 gab es ein Plakat zur Haltung von Schweinen auf Vollspaltenböden. Das war es.

Ergebnis: Was nicht da ist, kann auch nicht bewertet werden.

Null von zehn roten Sternen

☆☆☆☆☆☆☆☆☆☆

Wirtschaft

Als Dominik Wlazny im Frühjahr 2022 bekannt gibt, dass er zur Präsidentschaftswahl antreten möchte, betont er, dass er selbst Unternehmer sei. „Auch Unternehmer“ hätten „eine soziale Verantwortung“, so Wlazny. Doch: „Ich sehe es eigentlich nicht ein, dass ich die Hälfte von meinem Gewinn abdrück, aber der Jeff Bezos und der Elon Musk müssen es nicht.“ Ob Wlazny damit seine Unternehmenssteuern drücken will oder jene von Bezos und Musk anheben, bleibt unklar.

Auf der Homepage der Partei wird die Luft ebenfalls äußerst dünn, wenn es um die „Welt der Arbeit“ geht. Forderungen zum Inflationsausgleich oder zu höheren Löhnen etwa fehlen völlig (außer der Forderung nach „fairer Entlohnung“ im Gesundheitsbereich). Es gibt auch keinerlei Forderung nach Unternehmenssteuern.

Einen Hinweis gibt dann eine Aussage von Wlazny In der „Elefantenrunde“ im ORF im September 2022. Dort fordert er eine Senkung der Lohnnebenkosten. Es ist eine klassische und hoch problematische Unternehmer:innenforderung. Denn die Lohnnebenkosten umfassen im Wesentlichen die Beiträge der Unternehmen zur Kranken-, Unfall-, Pensions- sowie Arbeitslosenversicherung. Und das 13. und 14. Monatsgehalt. Eine Kürzung der Lohnnebenkosten ist für alle Beschäftigten also eine gefährliche Drohung.

In der bereits erwähnten ORF-Elefantenrunde behauptet Wlazny auch: „Sparen werden wir alle müssen“. Nicht mehr als ein altbekannter und aufgewärmter neoliberaler Mythos.

Das alles ist wohl kein Zufall: Wlazny ist selbst, wie er gern betont, Eigentümer eines Betriebs. Der wird von seiner politischen Popularität übrigens vermutlich auch profitieren.

Ergebnis: Wenn es um die Wirtschaft geht, wird bei Wlazny eindeutig der Unternehmer sichtbar. Auch, wenn das gegen die Interessen der Beschäftigten geht. Für Linke ein eindeutiges No-Go.

Null von zehn roten Sternen

☆☆☆☆☆☆☆☆☆☆

Wohnen

Zum Thema Wohnen bietet die Bierpartei auf ihrer Homepage drei Schlagworte an: Der soziale Wohnbau solle gestärkt werden und Wohnen solle „leistbar bleiben“. Dazu wird eine „transparente und nachvollziehbare Mietpreisregelung“ gefordert. Der letzte Punkt wirkt dabei etwas schwammig, auch extrem teure Mieten könnten „transparent“ sein.

Auf der Pressekonferenz zur kommenden Nationalratswahl fordert Wlazny dazu, dass Mieten „nicht mehrfach und unvorhersehbar steigen“. Dazu will er einen „Mietpreisdeckel“.

Ergebnis: Die Forderungen bleiben zwar oberflächlich und damit eher dünn. Doch sie sind aus linker Sicht zumindest nachvollziehbar und stringent.

Acht von zehn roten Sternen

☆☆

Umverteilung

Wlazny kritisiert in seinem Video zum Thema Armut auch die drastisch ungerechte Vermögensverteilung in Österreich. Sein Kommentar: „Das ist eine ziemliche Ungerechtigkeit, die aber bekämpft werden könnte, vielleicht auch bekämpft werden muss.“ Das Wort „vielleicht“ wirkt ein wenig seltsam. Und zum „wie“ kommt keine Antwort. Gerade beim Thema „Armut“ ist das ein bisserl wenig.

Was aus linker Sicht bei der Bierpartei ebenfalls komplett fehlt: Kein Wort darüber, wie die ungleiche Vermögensverteilung nun tatsächlich angegangen werden könne. Kein Wort über Erbschafts- oder Vermögensteuern. Kein Wort über die Notwendigkeit von Lohnerhöhungen. Und auch kein Wort über die systemischen Ursachen der Ungleichheit durch den Kapitalismus. Hier kommt bei Wlazny wohl wieder der Unternehmer durch.

Das ist nicht nur ein fehlendes Schlagwort – gerade in der Klimakrise ist die System-Frage essentiell. Dazu kommt: Die Bierpartei hat Forderungen, die etwas kosten. Wie will sie das finanzieren? Ohne neue Steuern für Unternehmen und Superreiche würden nur neue Steuern für die Masse der Bevölkerung bleiben. Oder Kürzungen in anderen Bereichen.

Ergebnis: Die Vermögensverteilung ist ein zentrales Thema für die Linke. Die Bierpartei aber schweigt sich dazu weitgehend aus. Und zu Reichensteuern und Kapitalismus kein Wort.

Einer von zehn roten Sternen

☆☆☆☆☆☆☆☆☆

Gesamtergebnis:

Wenn es um gesellschaftspolitische Themen geht, aber auch um Armut und Bildung, kann die Bierpartei linke Hoffnungen vermutlich durchaus erfüllen. Mit Wlaznys Positionen zu Arbeitswelt und Aufrüstung werden viele Linke dagegen sicher keine Freude haben. Auffällig sind die eklatanten Leerstellen bei Themen wie Umverteilung und Rassismus.

Doch auch dort, wo sich Positionen finden lassen, sind es meist nicht mehr als Überschriften. Das ist also alles noch extrem dünn. Wo Inhalte vorhanden sind, unterscheiden sie sich oft nicht großartig von SPÖ oder Grünen. In wirtschaftlichen und militärischen Fragen gibt es aber auch Schnittmengen zu den NEOS, der ÖVP und sogar der FPÖ.

Wlazny ist zweifellos originell und wird damit seine Wähler:innen finden. Nach einer neuen linken Hoffnung wirkt das derzeit aber eher nicht.

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