Russlands Diktator Putin kann den Ukraine-Krieg nur mit chinesischer Unterstützung führen. Nach dem Krieg wird Russland dafür bezahlen. Das zeigt sich bereits jetzt sehr deutlich.

„Die Russland-China-Beziehungen haben das höchste Niveau erreicht, und trotz der schwierigen weltweiten Lage werden sie stärker“, sagt Wladimir Putin im Mai 2024 zur chinesischen staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua. Anlass ist der Besuch von Russlands Machthaber bei Xi Jinping in Beijing. Eigenen Angaben zufolge traf Putin seinen chinesischen Diktator-Kollegen inzwischen bereits mehr als 40-mal, wie die DPA berichtet.

Und nun sollen erneut Nägel mit Köpfen gemacht werden. Russland sei „bereit und in der Lage“, China mit „Energie, Strom und Wärme zu versorgen“, so der Kremlchef bei der Eröffnung einer russisch-chinesischen Messe in der chinesischen Millionenstadt Harbin. Dazu soll nun eine weitere Gaspipeline durch die Mongolei nach China gebaut werden.

Im vergangenen Jahr betrug das Handelsvolumen zwischen Russland und China bereits mehr als 220 Milliarden Euro. Eine Steigerung um 26 Prozent – ein weiteres Wachstum wird erwartet. Und wenn es nach dem russischen Diktator geht, soll die Zusammenarbeit noch weiter ausgebaut werden. Möglichkeiten sieht er etwa im Fahrzeugbau und der Landwirtschaft.

Kein Zweifel: Russland und China sind neue best friends. Doch es ist keine gleichberechtigte Freundschaft. Denn Russlands Wirtschaft und Militär brauchen China inzwischen wie einen Bissen Brot – Russland ist von China abhängig geworden.

Der tschetschenische Diktator freut sich

„Kauf neuer Fahrzeuge für tschetschenische Einheiten, die an der Sondermilitäroperation teilnehmen“, schreibt Tschetscheniens Diktator Ramzan Kadyrow im Frühjahr 2023 stolz. Die „Sondermilitäroperation“, so nennt die russische Führung den Krieg in der Ukraine zynisch. Wie die Militäranalyst:innen von „Defence Blog“ berichten, hat das Militär damals groß eingekauft: Geliefert wurden gepanzerte Fahrzeuge des Typs „Tiger 4×4“ – entwickelt vom chinesischen Militärkonzern Shaanxi Baoji. Kein Einzelfall.

Der Tiger/Tigr 4×4. Laut China offenbar keine Waffe.

Im November 2023 berichtet die Frankfurter Rundschau dann von einer großen Lieferung chinesischer Geländefahrzeuge an das russische Militär. Bis Ende März 2024 soll Russland bereits über mehr als 2000 dieser chinesischen Jeeps vom Typ Desertcross 1000-3 verfügen. Chinesische und russische Unternehmen würden laut US-Quellen inzwischen auch daran arbeiten, gemeinsam unbemannte Luftfahrzeuge in Russland zu produzieren.

Kein Krieg ohne China

Dazu sollen chinesische Unternehmen Moskau inzwischen wahrscheinlich auch mit Nitrozellulose beliefern, die zur Herstellung von Munition verwendet wird. Das sagen zwei hochrangige Beamte der US-Administration im April zur Nachrichtenagentur AP. Dazu würden chinesische Unternehmen optische Komponenten für den Einsatz in russischen Panzern sowie Triebwerke für Marschflugkörper liefern. Es gibt keinen Zweifel: Chinesische Militärtechnik ist für den russischen Angriff auf die Ukraine inzwischen von zentraler Bedeutung. Und dabei geht es um viel mehr als reines Militärgerät.

Der chinesische Außenminister Qin Gang behauptet zwar am 9. Mai 2024 am Rande eines Staatsbesuchs der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock, China würde „keine Waffen an Parteien verkaufen, die in die Ukraine Krise involviert wären“. Doch das ist ein zynischer Trick: Fahrzeuge, Optik oder Triebwerke sind an sich zwar keine „Waffen“. Doch gleichzeitig ist offensichtlich, dass ohne diese Komponenten kein Krieg zu führen ist.

China schickt Mikroelektronik und Maschinen

Und tatsächlich reicht die chinesische Kriegsunterstützung noch wesentlich tiefer. Denn China liefert inzwischen in großem Umfang sogenannte „Dual Use“-Güter an Russland. Das sind Produkte, die sowohl zivil wie militärisch verwendet werden können – etwa Halbleiter, Mikroelektronik oder Werkzeugmaschinen. Und ohne diese Güter könnte Russland den Krieg in der Ukraine wohl nur mehr sehr schwer oder gar nicht fortsetzen: Ohne Halbleiter und Mikroelektronik gibt es keine modernen Waffen und ohne Werkzeugmaschinen gibt es keine Rüstungsproduktion.

US-Außenminister Antony Blinken sagt im Mai 2024, dass inzwischen 70 % aller Werkzeugmaschinen und sogar 90 % der Mikroelektronik, die Russland importiert, aus China kommen würde. Verschiedene Analysen unterstützen diese Einschätzung. So meint etwa Nathaniel Sher vom Berliner Forschungszentrum „Carnegie„: „Aus öffentlich zugänglichen Zolldaten geht hervor, dass China jeden Monat Dual-Use-Produkte im Wert von über 300 Millionen US-Dollar exportiert“. China sei „Russlands größter Lieferant“ in diesem Bereich.

Es handle sich dabei um Produkte, die als „vorrangig“ für Russlands Waffenproduktion eingestuft würden. Doch zwischen China und Russland geht es inzwischen bereits um viel mehr als „nur“ um die Rüstungsproduktion.

China ist Russlands „Lebensader“

Seit der russischen Invasion in der Ukraine sind die chinesischen Exporte nach Russland laut Carnegie um mehr als 60 Prozent gestiegen. Experte Sher zitiert verschiedene internationale Analyst:innen. Die würden meinen, dass der Handel mit China inzwischen „nicht weniger als eine Lebensader“ für die russische Wirtschaft wäre. Der deutsche Wirtschaftswissenschafter Janis Kluge sieht das in einer Studie vom Dezember 2023 ganz ähnlich: „Die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit China ist für Russland überlebenswichtig geworden.“

Der chinesische Autokonzern Great Wall Motor lässt seine Marke Haval weiter in Russland produzieren. Bild: Haval

Das Bruttoinlandprodukt von Russland – also der Gesamtwert aller Waren und Dienstleistungen – ist inzwischen niedriger als jenes von Italien. Die Umstellung der russischen Wirtschaft auf Kriegsproduktion kann dieses Dilemma zwar zahlenmäßig noch kaschieren. Doch mit den westlichen Sanktionen würde es dennoch wirtschaftlich bald sehr knapp werden, wenn der Krieg noch länger dauert. Und hier kommt China ins Spiel.

Russland wird zunehmend abhängig von Beijing

Chinesische Konzerne füllen in Russland immer häufiger jene Lücken, die der Abzug von US- und EU-Konzernen hinterlassen hat. Fast jeder zweite Neuwagen in Russland kommt inzwischen aus China. Dazu importiert Russland aus China auch viele weitere hochwertige Industriegüter.

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Russland dagegen liefert nach China inzwischen primär Rohstoffe – allen voran Öl und Gas. So sagt der stellvertretende russische Ministerpräsident Alexander Nowak Ende Dezember 2023, dass Russland inzwischen bereits 45 bis 50 Prozent seines Erdöls nach China liefern würde (weitere bedeutende Lieferungen gehen nach Indien). Was wir hier sehen, ist also eine eindeutig schiefe Ebene.

China kann die Bedingungen diktieren

China profitiert damit doppelt. Einerseits werden günstig wichtige Rohstoffe eingekauft. Und andererseits hat China einen neuen Absatzmarkt für seine Produkte gefunden. „Russisches Erdgas versorgt zahlreiche chinesische Haushalte und chinesische Autos fahren auf russischen Straßen.“ So beschreibt Chinas Außenminister Wang Yi die Verhältnisse im März 2024 sehr treffend.

Sich günstig die Rohstoffe holen, im Gegenzug hochwertige Produkte teuer verkaufen: Es ist ein Muster, das wir auch aus dem klassischen Kolonialismus kennen. Nun ist Russland natürlich keine typische Kolonie. Die russische Führung rund um Diktator Wladimir Putin hat selbst imperialistische Ambitionen, wie die Menschen in der Ukraine jeden Tag blutig erfahren.

Putin and Xi Jinping besichtigen im Juni 2019 das Automobilwerk Haval in Russland. Bild: Kreml, Lizenz

Doch langfristig sind die Zeichen eindeutig: Russland fällt gegenüber China immer deutlicher auf einen ähnlichen Status zurück wie etwa die arabischen Erdöl-Diktaturen am Golf gegenüber dem sogenannten „Westen“. Sie verfolgen zwar partiell außenpolitisch eigene Ziele. Doch sie wissen am Ende auch sehr genau, wer die Leine hält. Während sich die Scheichs mit ihren Öl-Milliarden allerdings zunehmend von den USA emanzipieren, scheint Russland in seinem Verhältnis zu China den genau entgegengesetzten Weg zu gehen.

Das „amerikanische Jahrhundert“ geht zu Ende

Das 20. Jahrhundert wird gerne als das „amerikanische Jahrhundert“ bezeichnet. Gemeint war damit, dass die USA vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg eine hegemoniale Stellung in vielen Teilen der Welt hatten. Das ist zwar ein sehr westlich geprägter Blick – immerhin gab es mit der Sowjetunion und ihren Verbündeten sowie China und vielen ehemaligen Kolonialstaaten auch große Regionen der Welt mit ganz anderen Prioritäten. Doch gleichzeitig hat der Begriff auch eine bestimmte Wahrheit.

Insbesondere nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion konnten die USA global weitgehend die Bedingungen diktieren. Und diese Ära neigt sich jetzt eindeutig dem Ende zu. Stattdessen tauchen neue Player auf, etwa Indien. Und der wichtigste unter ihnen ist derzeit eindeutig China.

Russland, China und extreme Rechte wollen eine „Neue Weltordnung“

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Ein wichtiges Schlagwort dafür ist die sogenannte „multipolare Weltordnung“. Diesen Begriff verwenden heute sowohl China wie Russland – und sie meinen damit ihre Vorstellung von der Neuordnung der Welt. Übernommen wird dieser Begriff inzwischen übrigens auch von der extremen Rechten in Europa.

Vor allem die Zusammenarbeit einschlägig rechter Kreise mit der Führung in Moskau ist dabei auch ideologisch stringent. Immerhin teilen sie ideologisch die gleichen Ziele: Vom Rassismus und Nationalismus über ein reaktionäres Frauenbild bis hin zum Kampf gegen gleichgeschlechtliche liebende Menschen. Mehr über Putin, seine Freund:innen und ihre Ziele habe ich hier für euch aufgeschrieben. Und dann gibt es oft auch noch eine finanzielle Ebene.

Geld regiert die rechte Welt

Im April 2024 wurde etwa ein Mitarbeiter von AfD-EU-Spitzenkandidat Maximilian Krah wegen Spionageverdacht für China verhaftet. Auch gegen Krah selbst wird ermittelt. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung. Über das Naheverhältnis von Krah zur neofaschistischen Gruppe Identitäre habe ich hier und hier geschrieben.

Solche finanziellen Verbindungen sind kein Einzelfall. So wurde etwa die französische extrem rechte Partei „Rassemblement National“ (früher Front National) von Marine Le Pen ab 2014 mit einem Kredit von 9,4 Millionen Euro unterstützt. Kreditgeberin: Eine russisch-tschechische Bank.

Das Wirtschaftsbündnis BRICS wird immer stärker

Laut dem russischen Außenminister Sergej Lawrow hätten sowohl Russland wie China „ein objektives Interesse daran, weiterhin die Bemühungen zur Schaffung einer gerechteren, demokratischen Weltordnung voranzutreiben“. Das behauptete Lawrow anlässlich des Staatsbesuchs von Russlands Diktator Putin in Beijing Mitte Mai. Viele Menschen in Russland und China würden darüber vermutlich herzlich lachen – wenn nicht schon das gefährlich wäre.

Ein deutliches Zeichen für diese Entwicklung ist auch die Wirtschaftsvereinigung BRICS. Ursprünglich war es ein Zusammenschluss von Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika – die Anfangsbuchstaben dieser fünf Länder bildeten den Namen des Bündnisses. Doch jüngst sind auch Ägypten, Äthiopien, der Iran sowie die Vereinigten Arabischen Emirate beigetreten. Zahlreiche weitere Länder haben inzwischen ihr Interesse an einer Mitgliedschaft bekundet, darunter bevölkerungsstarke Staaten wie Indonesien, Nigeria, Thailand oder Vietnam.

Putin steht im Zentrum, doch China zieht die Fäden

Der nächste BRICS-Gipfel ist für Oktober 2024 geplant. Auf Einladung von Russland Diktator Putin und in der südrussischen Stadt Kasan an der Wolga. Russland hat gegenwärtig den Vorsitz im BRICS-Bündnis – wer glaubt, dass Russland international isoliert wäre, hat einen sehr engen Blick. In Kasan wird Putin den starken Mann spielen. Doch tatsächlich wird allen Gästen am Tisch klar sein, dass tatsächlich China wirtschaftlich die Fäden zieht.

China verfolgt mit der Unterstützung Russlands seine eigenen geostrategischen Interessen. Auf der wirtschaftlichen Ebene setzt sich China mit seinem Projekt „Neue Seidenstraße“ verstärkt in Asien, Afrika und Europa fest. Eine moralische Empörung des Westens darüber wird vor allem in Afrika und Asien bestenfalls milde belächelt werden – zu gut sind dort noch die Gräueltaten des europäischen Kolonialismus in Erinnerung.

Und gleichzeitig baut China auch zunehmend seine militärischen Kapazitäten auf, nicht zuletzt rund um den Taiwan-Konflikt. China verspürt dabei wohl auch aus demographischen Gründen eine gewisse Dringlichkeit: Die chinesische Bevölkerung (und damit auch die Zahl der Soldat:innen) wird in den nächsten Jahrzehnten drastisch sinken. Meine ausführliche Recherche „Der nächste Weltkrieg könnte bald in Taiwan beginnen“ könnt ihr hier lesen.

Putin kämpft ums Überleben. Buchstäblich.

Russland ist hier für China auf internationaler Ebene ein wichtiger Verbündeter. Doch es ist kein Bündnis gleichberechtigter Partner. Während China seine Rohstoffe auch anderweitig beziehen und seine Produkte auch anderweitig absetzen könnte, ist das Regime in Moskau auf die Unterstützung durch Beijing angewiesen. Denn es ist völlig unklar, ob die Putin-Clique einen verlorenen Krieg politisch – und auch physisch – überleben würde.

Egal, wie der Krieg in der Ukraine ausgeht: Die russische Wirtschaft wird noch viele Jahre brauchen, um sich davon zu erholen. Um Einkünfte zu erzielen, wird Russland weiterhin auf Rohstoffexporte angewiesen sein. Gleichzeitig werden immer mehr hochwertige chinesische Produkte ins Land strömen. Die schiefe Ebene wird sich fortsetzen. Und Russland wird immer tiefer in eine Form der kolonialen Abhängigkeit rutschen.

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