Nach meinen Recherchen über die Beziehungen zwischen Martin Hinteregger und Heinrich Sickl attackiert der Fußballer mich als „linksextrem“. Wie tief waren die Verbindungen zwischen Hinteregger und dem Rechtsextremen Sickl wirklich? Exklusiv.

„Ich habe mit der Sache hinten und vorne nichts zu tun.“ So rechtfertigt sich Fußballer Martin Hinteregger, als er im Interview mit Sky zu seinen Beziehungen mit dem extremen Rechten Heinrich Sickl befragt wird. Das Problem: Die Fakten sprechen eine etwas andere Sprache. Sehen wir uns also Hintereggers Rechtfertigungen Punkt für Punkt an – und prüfen sie anhand der vorliegenden Fakten.

Am 8. Juni veröffentliche ich meine Recherche zu den Geschäftsbeziehungen von Eintracht-Spieler Hinteregger mit Heinrich Sickl. Die Verbindung ist enorm brisant, denn Sickl ist nicht einfach ein lokaler Geschäftspartner.

Sickl ist hochrangiger FPÖ-Funktionär und Ex-FPÖ-Gemeinderat in Graz, also in der Landeshauptstadt der Steiermark und zweitgrößten Stadt in Österreich. Dazu ist der Burschenschafter – der in seiner Jugend im Neonazi-Milieu aufgetreten ist – ein bekannter Unterstützer der neofaschistischen Gruppe Identitäre. So hatte Sickl der Gruppe unter anderem ihr Zentrum in Graz vermietet, dazu ist er auch Mit-Organisator von regelmäßigen Schulungen der deutschen Identitären-Kaderschmiede „Institut für Staatspolitik“ (IfS) in der Steiermark. Für mehr Hintergrund-Infos dazu lest euch meine Recherche durch!

Ich hatte vor der Veröffentlichung des Textes selbstverständlich sowohl Hinteregger wie Eintracht Frankfurt um eine Stellungnahme ersucht. Hinteregger hat sich bis heute nicht gemeldet. Die Eintracht erst, nachdem mein Artikel in den Medien durch die Decke ging. Doch die erste öffentliche Reaktion von Hinteregger via Instagram wird noch bedeutsam werden: „Ich bin ebenso wie die Familie Sickl in Sirnitz verwurzelt“, schreibt er. Damit sagt er also klar, dass er die handelnden Personen kennt.

Gehen wir Hintereggers Aussagen im Sky-Interview nun Punkt für Punkt durch!

Hinteregger: „Vom HintiCup hat sich ja gar nichts verändert, der ist genau gleich wie immer“ und „Der HintiCup ist genauso, wie er geplant war“.

Diese Aussage deckt sich schlichtweg nicht mit den vorhandenen Fakten. Tatsächlich war auf der Homepage des HintiCup ursprünglich ein Programm veröffentlicht mit der Überschrift „Programm des 1. Hinti Cup in Sirnitz, Hintis Heimatdorf in Kärnten“.

Teil des Programms: Ein Konzert auf dem Schloss Albeck am ersten Tag sowie ein „Vorprogramm“ zur Siegerehrung auf der Schlosswiese. Das Schloss gehört der Familie Sickl. Beide Events wurden nach meiner Veröffentlichung aus dem Programm gelöscht. Das Programm wurde also sehr wohl verändert.

Vorher:

Nachher:

Hinteregger: Die Geschäftsbeziehung mit Sickl hätte „überhaupt nichts mit dem HintiCup zu tun. Das wäre noch ein zusätzliches Festival gewesen.“

Tatsächlich war laut Impressum auf der Homepage hinticup.at die „Hinti Event GmbH“ für die Veranstaltung verantwortlich. Eine GmbH mit drei Gesellschaftern*innen: Hinteregger, einer lokalen Gastronomin – und Heinrich Sickl. Alle drei brachten laut Firmenbuch je 12 000 Euro in die GmbH ein. Erst nach Veröffentlichung meiner Recherche wurde das Impressum verändert.

Bis zur Veröffentlichung meiner Recherche waren „HintiCup“ und das Festival „Festi:Ball“ auf der Homepage eindeutig zusammenhängende und integrierte Veranstaltungen. Es gab zwar zwei Logos, doch die wurden gemeinsam präsentiert. Auf der Cup-Page wurde dafür geworben, Tickets für den „Festi:Ball“ zu kaufen – zu sehen auch oben im Screenshot zum Programm.

Als Anfang April das Event den Medien vorgestellt wurde, posierte Hinteregger noch gemeinsam mit Heinrich Sickl und dessen Mutter Elisabeth Sickl für die Medien. Meinbezirk.at hatte das Bild dann veröffentlicht. Mutter Sickl war einstmals sogar Ministerin für die FPÖ. Im Hintergrund nebeneinander gut zu erkennen: Die Logos von „HintiCup“ und „Festi:Ball“.

Auf den meisten Seiten der Homepage des „HintiCup“ wurde die Verbindung zum „Festi:Ball“ inzwischen gelöscht. Doch dabei wurde wohl nicht überall genau gearbeitet: So findet sich etwa im Impressum bis heute ein Foto, wo Hinteregger vor den nebeneinander stehenden Logos posiert.

Wenn die beiden Veranstaltungen nichts miteinander zu tun hatten, warum mussten dann sowohl das Programm wie das Impressum des HintiCup verändert werden?

„Jegliche Geschäftsbeziehung zur Familie Sickl wird aufgrund des aktuellen Wissensstandes mit sofortiger Wirkung abgebrochen“, schrieb Hinteregger am 9. Juni auf Instagram.

Ich habe das im Firmenbuch nachrecherchiert: Am 19.06. abends ist die „Hinti Event GmbH“ von Hinteregger, Sickl und der lokalen Gastronomin weiter im Firmenbuch zu finden.

Und auch auf der Homepage des HintiCup wurde weiter eine „bunte Ausstellung“ zum Thema Fußball im Schloss Albeck der Familie Sickl angekündigt. Ein Programmpunkt, der zumindest auf der Homepage bis heute nicht gelöscht wurde.

Direkt daneben übrigens eine „Erklärung der Veranstalter“ zur „Neuausrichtung“. Die Ankündigung der Ausstellung im Sickl-Schloss blieb also auch nach der Bearbeitung der Seite stehen.

Hinteregger: „Er [Sickl] war deswegen drin in dieser Geschäftsbeziehung, sag ich einmal, weil er einfach der Grundstückseigentümer [unverständlich].“

Grundsätzlich ist es doch eher ungewöhnlich, sofort eine gemeinsame Firma zu gründen, anstatt eine Location einfach anzumieten. Hinteregger selbst erklärt im Interview mehrmals zur Rechtfertigung, dass auf dem Schloss Albeck der Sickls davor bereits viele andere Künstler*innen aufgetreten seien. Das ist natürlich nicht gut – und diese Künstler*innen müssen sich fragen lassen, wie gut sie hingesehen haben. Doch hatten die auch alle eine gemeinsame Firma mit Identitären-Fan Sickl gegründet?

Und Heinrich Sickl war ja keineswegs nur im Hintergrund präsent: Auf der Homepage des HintiCup war er bis zum Erscheinen meiner Recherche sogar als Ansprechpartner für die Presse genannt. Offiziell zwar für den „Festi:Ball“ – doch auf der Seite des HintiCup und als einzige Ansprechperson für die Medien auf der gesamten Seite. Das ist also deutlich mehr als nur eine pragmatische Geschäftsbeziehung mit dem Grundstückseigentümer.

Hinteregger: „Wenn wir das vorher gewusst hätten, hätten wir anders reagiert.“ Sickl „war über dreißig Jahre weg von diesem Ort“. „Da ist natürlich nichts bewusst gewesen, der war ewig weg, das war lange vor meiner Zeit.“

Da passt einiges nicht gut zusammen. Zum einen ist es im Zeitalter des Internet nun wirklich nicht nötig, regelmäßig im Dorf zu sein, um Sickl zu recherchieren. Ein Blick in eine Suchmaschine hätte gereicht. In der erweiterten Suche von Google ist es möglich, den Suchzeitraum einzustellen. Wer dort sucht, was bis 30.05.2022 – also vor Erscheinen meiner Recherche – über Sickl erschienen ist, wird feststellen: Gleich auf den ersten Seiten finden sich mehrere Berichte, die klar machen, wes Geistes Kind er ist.

Und zum anderen schrieb Hinteregger selbst auf Insta: „Ich bin ebenso wie die Familie Sickl in Sirnitz verwurzelt“. Dass er sehr wohl über die FPÖ-Verbindungen Bescheid weiß, gibt Hinteregger in Folge dann sogar selbst zu. Auf Sky sagt er: „Natürlich wissen wir, dass die Frau Sickl ein hohes Tier war in der Politik“. Und im Standard legt Hinteregger am Montag noch nach und zeigt dabei gleichzeitig, wie er selbst tickt. Wörtlich über Sickl: „Ich weiß, dass er FPÖ-Politiker war, was in Österreich ja nichts Schlimmes ist.“

Hinteregger wisse nicht, was Leute „mit 17, 18, 19 gemacht haben“, sagt er auf Sky. „Was hast du im Alter zwischen 17 und 20 gemacht?“ Niemand würde in einer großen Firma die Mitarbeiter*innen „komplett durchleuchten“.

Tatsächlich geht es hier aber nicht um die politischen Anfänge des Heinrich Sickl – wobei auch die durchaus aufschlussreich sind. So soll Sickl laut einem Kurier-Bericht von Februar 2018 im Jahr 1991 gemeinsam mit Neonazi-Größe Gottfried Küssel an einem Nazi-Aufmarsch vor dem Landesgericht Graz teilgenommen haben.

Dabei soll Sickl laut dem Ermittlungsakt, aus dem der Kurier zitiert, gemeinsam mit Küssel das NS-Lied „Es zittern die morschen Knochen“ angestimmt haben. Anlass zum Aufmarsch war die Inhaftierung des zentralen steirischen Neonazi-Kaders Franz Radl. Viele andere waren „im Alter zwischen 17 und 20“ wohl zumindest nicht an Nazi-Aufmärschen beteiligt.

Heinrich Sickl als Ordner am Aufmarsch der Gruppe Identitäre am 15.11.2015 in Spielfeld. Bild: Peter Palme

Doch es stimmt: Das muss Fußballer Martin Hinteregger tatsächlich nicht wissen. Was er aber wissen sollte: Was sein Geschäftspartner heute so treibt – und dass er als Grazer Ex-FPÖ-Gemeinderat und steirischer Vorsitzender des burschenschaftlichen FPÖ-Akademikerverbands ein zentraler Kader der FPÖ ist.

Alles andere wäre auch eher lebensfremd, immerhin sind oder waren die beiden Geschäftspartner. Da wird wohl irgendwann die Frage aufkommen: „Und was machst Du so beruflich?“ Und im Standard gibt Hinteregger nun ja auch zu, dass er über Sickls FPÖ-Hintergrund sehr wohl Bescheid wusste. Aber, zur Erinnerung: Das sei „ja nichts Schlimmes“.

Hinteregger: „Der Journalist, was das veröffentlicht hat, der ist ja ein klar Linksextremer, denke ich, linksextremer Journalist“

Es ist ein alter Trick: Wenn Du in der Sache nicht weiter kommst, dann geh auf die Person. Der Trick ist allerdings ziemlich durchschaubar.

Was hier allerdings auffällt: Das Framing „linksextremer Journalist Bonvalot“ findet sich in Österreich buchstäblich laufend. Und zwar in einschlägig extrem rechten Medien, denen meine Recherchen offensichtlich enorm gegen den Strich gehen.

So widmet etwa die einschlägige Plattform „Tagesstimme“ mir und zwei Kolleg*innen im November 2021 einen eigenen Artikel. Aus dem äußerst weinerlichen Text: Von Corona-Marschierer*innen würde ich „als linksextremer Aktivist“ betrachtet. In anderen Artikeln der „Tagesstimme“, die zum „Freilich-Magazin“ gehört, ist der Ton ähnlich. Doch wer ist der Herausgeber von „Freilich“ und „Tagestimme“? Überraschung: Die FPÖ-Akademikerverbände Steiermark und Salzburg. „Vertretungsbefugtes Organ“ laut Homepage: Heinrich Sickl.

Die Frage darf gestellt werden: Woher hat Hinteregger also das Framing „Linksextremer Journalist Bonvalot“?

Hinteregger: „Ich habe noch nicht rausgefunden, um was es da wirklich geht. Aber ich denke, mit der Zeit werden wir auch das machen und dann wird die Geschichte sicher `ne komplett andere als wie sie gerade dargestellt ist.“  

Martin Hinteregger sieht sich auf Sky offenbar als Opfer einer Verschwörung. Er sei „Spielball“, es gäbe eine „mediale Hetzjagd“ und „irgendwas läuft da im Hintergrund“. Dieses Muster kennen wir aus verschiedenen Verschwörungserzählungen.

Dabei ist die Sache sehr einfach und braucht keinerlei Spielbälle im Hintergrund: Martin Hinteregger hatte oder hat eine Geschäftsbeziehung zum einschlägig extrem rechten Heinrich Sickl. Und ich habe es aufgedeckt.

Die gesamte Geschichte hat von Beginn an nicht gut ausgesehen für Martin Hinteregger. Und es wird nicht besser. Ganz im Gegenteil.

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