Eine ungarische Orbán-Denkfabrik und die Wiener Wirtschaftskammer haben gemeinsam die Modul-Privatuni übernommen, es gibt tiefe Verbindungen zur ÖVP. Jetzt könnte am Kahlenberg ein internationales rechtes Zentrum entstehen.
Der Blick vom Kahlenberg ist atemberaubend. Wien liegt den Besucher:innen buchstäblich zu Füßen. Und bei guter Sicht reicht die Sicht sogar bis zu den Kleinen Karpaten in der Slowakei und zum Schneeberg an der Grenze zur Steiermark. Auch die rund tausend Studierenden der „Modul University“ profitieren von dieser einzigartigen Aussicht.
Die noble Privatuniversität hat ihren Sitz direkt neben der zentralen Aussichtsplattform am Berg. Laut eigenen und durchaus großspurigen Angaben ist die Modul University „Österreichs führende internationale Universität“.
Auf dieser Privatuni kostet allein ein Semester Bachelor-Studium mindestens 7140 Euro. Schon für ein Bachelor-Studium bei Modul werden damit mehrere zehntausend Euro fällig. Für ein Doktoratsstudium sind es dann nochmals über 50.000 Euro. Soweit, so schlecht. Doch nun könnte am Kahlenberg auch noch ein internationales rechtes Zentrum entstehen. Mit besten Verbindungen zur ÖVP.
Denn führende ÖVP-Kreise und die ÖVP-geführte Wirtschaftskammer stecken am Kahlenberg mit Ungarns Rechtsaußen-Premier Viktor Orbán unter einer Decke. Jüngst wurde sogar die ehemalige ÖVP-Ministerin und enge Kurz-Vertraute Elisabeth Köstinger zur neuen Uni-Rätin der Modul University bestellt. Ebenfalls mit an Bord: Eine bestens vernetzte ÖVP-Landtagsabgeordnete.
Eindeutige ideologische Schlagseite
Bereits Mitte Mai hat das ungarische Mathias-Corvinus-Collegium (MCC) 90 Prozent der Modul University in Wien übernommen. Die restlichen 10 Prozent hält bezeichnenderweise die ÖVP-geführte Wiener Wirtschaftskammer. Die ideologische Schlagseite des MCC ist dabei eindeutig.
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Schon im „Mission Statement“ von MCC heißt es ganz offen, das Collegium sei „nicht wertneutral“. Gefördert würde stattdessen „Patriotismus, Respekt vor Traditionen, eine realistische Herangehensweise an globale Angelegenheiten“ sowie „die Sorge um die ungarische Nation und die Zukunft der westlichen Welt“. Es ist eine Sammlung klassischer rechter Buzzwords.
Geld spielt keine Rolle – die Politik sehr wohl
Das Collegium gilt heute als Kaderschmiede des Orbán-Regimes – und Geld scheint keine Rolle zu spielen. 2020 übertrug der Staat Ungarn dem MCC sogar zehn Prozent seiner Anteile am Mineralölkonzern MOL und am Pharmaziekonzern Gedeon Richter. Der Wert der Anteile betrug umgerechnet etwa 1,4 Milliarden Euro und ist seither laut FAZ (€ Paywall) noch einmal kräftig gestiegen.
Hinzu kamen Immobilien. Nicht nur in der Hauptstadt Budapest, sondern in jedem Komitat des Landes gibt es inzwischen mindestens ein MCC-Zentrum. Dazu werden unter anderem kräftig Stipendien ausgeschüttet.
Das Ziel seien 10.000 Stipendiat:innen, sagt Balázs Orbán, Vorsitzender des Stiftungsrats des MCC (er ist mit dem Premierminister nicht verwandt). So soll offenbar eine stramm-rechte neue Generation herangezogen werden. Bald möglicherweise auch in Wien.
Auftritt Tucker Carlson und Sebastian Kurz
Zu einem Sommerfest im Jahr 2021 war bereits unter anderem der berüchtigte Ex-Fox-News-Moderator Tucker Carlson eingeladen. Der rechte Verschwörungsideologe ist inzwischen nicht einmal mehr für Fox tragbar: Im April 2023 wurde Carlson vom Sender entlassen, d. Ie Gründe sind öffentlich nicht bekannt. Auf der Seite des MCC dagegen wird Carlson als „eine der einflussreichsten Medienpersönlichkeiten der Welt“ vorgestellt.
Wo solche Geistesgrößen versammelt sind, ist auch Sebastian Kurz nicht weit. Bei einem großen Festival des MCC im ungarischen Esztergom im Sommer 2023 konnte Kurz laut FAZ (€ Paywall) von der Bühne verkünden, dass seine einstigen Forderungen zur Abwehr geflüchteter Menschen, für die er „in eine Ecke gestellt“ worden sei, inzwischen mehr oder weniger Gemeingut seien. Es ist nicht gänzlich abwegig, dass Kurz für seinen Auftritt ein gutes Honorar kassiert hat. Doch Geld spielt, wie gesagt, für das MCC keine Rolle.
Beste Verbindungen zur ÖVP
Ursprünglich gehörte die noble Modul-Privatuniversität am Kahlenberg zu 90 Prozent der Wiener Wirtschaftskammer, mit 10 Prozent war der saudisch-österreichische Geschäftsmann Mohamed Bin Issa Al Jaber beteiligt. 2020 gab die Wirtschaftskammer dann den Großteil ihrer Anteile an einem britischen Unternehmer ab. Und der wiederum verkaufte seine Anteile im Mai dieses Jahres an die MCC. Ob der Unternehmer von Anfang an nur als Zwischenhändler gedacht war? Das muss offenbleiben. Doch die Wiener Wirtschaftskammer hält weiterhin 10 Prozent der Anteile.
Entsprechend ist auch der Universitätsrat von Modul bestellt. Wie die Privatuniversität am 19. Dezember in einer Aussendung bekannt gab, seien im neugewählten Uni-Rat gleich zwei ÖVP-Kader vertreten. Einerseits ist da die ehemalige ÖVP-Landwirtschaftsministerin und Ex-ÖVP-Obmann-Stellvertreterin Elisabeth Köstinger. Sie gilt als enge Vertraute von Ex-Kanzler Sebastian Kurz, politisch sozialisiert wurde sie in der konservativen Landjugend, deren Vorsitzende sie auch war.
Eine weitere hochrangige ÖVPlerin im neuen Uni-Rat von Modul
Doch es gibt noch eine zweite und bestens vernetzte ÖVP-Politikerin im neuen Uni-Rat: Kasia Greco. In der Aussendung der Modul University wird sie ausschließlich als Vertreterin der Wirtschaftskammer und der Handelskammer Wien vorgestellt, ihre politische Funktion wird nicht genannt. Den österreichischen Medien, die über den neuen Köstinger-Job berichtet haben, dürfte Greco durchgehend nicht aufgefallen sein.
Doch in der ÖVP ist Greco eine große Nummer. Die 52-jährige ist Abgeordnete zum Wiener Landtag und Gemeinderat, hochkarätiges Mitglied im ÖVP-Wirtschaftsbund sowie Vizepräsidentin der Wiener Wirtschaftskammer. Als eines ihrer wichtigsten Themen nennt sie auf ihrer Homepage die Ansiedlung von internationalen Institutionen in Wien. Wie praktisch, dass sie nun gleich selbst einen Job bei der Modul University übernommen hat.
Was nun in Wien geplant ist
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Unmittelbar nach der Übernahme der Modul University durch die MCC versuchte Rektor Karl Wöber noch zu beruhigen. Gegenüber dem Standard behauptete er, dass die Vertreter des MCC „einen sehr kompetenten und verlässlichen Eindruck“ hinterlassen würden. Doch das ist offensichtlich kein Widerspruch zu einer weit rechten politischen Gesinnung.
Ein warnendes Beispiel ist das bereits existierende „Deutsch-ungarische Institut“ des MCC. Als Ziel wird dort die Organisation von „Konferenzen, Symposien und Expertengesprächen“ genannt. Der regelmäßig erscheinende „Monatsbrief Ungarn“ klingt dann eher wie ein Propagandaorgan der Fidesz.
Berichtet wird im Dezember etwa beifällig über ein Zusammentreffen von Viktor Orbán mit dem Schweizer SVP-Abgeordneten Roger Köppel. Der extrem rechte Schweizer Politiker ist übrigens gleichzeitig Moderator für den österreichischen Sender Servus TV. Ebenfalls völlig kritiklos wird über den jüngsten Parteitag der Fidesz geschrieben („Für uns ist Ungarn das erste!“).
Die befürchtete Stoßrichtung für Wien beschreibt dann Bulcsú Hunyadi vom Thinktank Political Capital im Juni 2023 im Falter sehr treffend: „Die Modul University ist auch politisch relevant: Über Lehrpläne kann die Fidesz-Regierung ihre Ideologie ins Ausland tragen.“ Und genau das wird nun immer offensichtlicher.
Eindeutige Verbindungen zur ungarischen Regierung
Auffällig ist hier etwa Zoltán Szalai, er ist seit kurzem der neue Vorsitzende des Uni-Rates von Modul. Szalai ist Generaldirektor des gesamten MCC – und damit verantwortlich für die ideologische Ausrichtung der gesamten Organisation. Es ist offensichtlich, dass die MCC die Kontrolle in Wien übernimmt.
Szalai ist gleichzeitig auch Chefredakteur der Mediengruppe „Mandiner“, die der Fidesz-Partei von Orbán nahesteht. Mandiner hat übrigens auch eigens über den Einstieg von Köstinger bei MCC berichtet. Noch eindeutiger sind die Verbindungen von MCC-Stiftungsratspräsident Balázs Orbán: Er ist politischer Direktor von Premierminister Orbán und damit einer der wichtigsten ideologischen Kader des gesamten Regimes.
Der Kahlenberg ist ein symbolischer Ort für Rechte
Für die MCC ist die Universität am Kahlenberg ein ideologisches Geschenk. Denn der Wiener Hausberg ist nicht nur eines der beliebtesten Ausflugsziele der lokalen Bevölkerung. Für die gesamte internationale Rechte ist dieser Berg über Wien auch ideologisch enorm bedeutend.
Denn von dort griff im Jahr 1683 jenes Heer an, das Wien aus der damaligen osmanischen Belagerung löste. Rechte Kreise beziehen sich darauf bis heute – von der katholischen Kirche und der ÖVP über FPÖ und neofaschistische Identitäre bis hin zum Rechts-Terrorismus.
Die Lüge vom christlich-islamischen Endkampf
Sie alle deuten den Kampf um Wien zu einer Art Endkampf zwischen Christentum und Islam. Historisch ist das reichlich unsinnig: Das Osmanische Reich war mit Frankreich verbündet, auf osmanischer Seite kämpften französische Spezialisten und zahlreiche weitere „christliche“ Soldaten. Zur Unterstützung Wiens dagegen wurden unter anderem auch muslimische Soldaten aus Polen aufgeboten, die sogenannten „Lipka-Tataren“.
Doch vermutlich sind tatsächliche historische Zusammenhänge deutlich zu komplex für rechte Kreise. (Über diese tatsächliche Geschichte der Belagerung Wiens werde ich übrigens bald einen eigenen Artikel schreiben.)
Kirche, Kurz und Kahlenberg
Wenn Ex-Ministerin Köstinger und ÖVP-Landesabgeordnete Greco künftig am Kahlenberg bei Modul-Sitzungen zusammenkommen, sind sie nur wenige Meter entfernt von der Josefskirche. Die steht genau gegenüber der MCC-Modul-Uni. An der Westwand dieser Kirche ist sogar eigens eine Gedenktafel für den polnischen König Johann Sobieski angebracht, er hatte die Habsburger im Kampf gegen das osmanische Reich unterstützte.
Im September 1983, also genau 300 Jahre nach der Schlacht, besuchte sogar der damalige Papst Karol Wojtyła („Johannes Paul II“) die Kirche am Wiener Kahlenberg. Einschlägige katholische Kreise marschieren dort bis heute auf. Beworben werden solche Veranstaltungen dann etwa von Jan Ledóchowski, dem Sprecher für Christdemokratie in der Wiener ÖVP. Im September 2020 am Kahlenberg an seiner Seite: Der damalige ÖVP-Finanzminister Gernot Blümel, der zur gleichen Zeit im Amt war wie Köstinger.
Von der FPÖ bis zu paramilitärischen Aufmärschen
Bereits knapp drei Jahre zuvor, im Dezember 2017, hatten Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache sogar ihre neue schwarz-blaue Koalition am Kahlenberg präsentiert. Im August 2020 stellte Strache dann nach dem Bruch mit der FPÖ sein krachend gescheitertes „Team Strache“ am Kahlenberg vor. Und auch die FPÖ und ihre internationalen Verbündeten beteiligen sich am rechten Hype.
Im September 2023 brachten Abgeordnete von FPÖ, AfD, der italienischen Lega sowie weiterer rechter Parteien sogar eigens einen Antrag im EU-Parlament ein. Sie wollten einen EU-weiten Feiertag am Jahrestag der Schlacht von 1683. Wo die FPÖ ist, ist auch die neofaschistische Gruppe Identitäre nicht weit.
Die marschiert mit anderen einschlägigen Gruppen ebenfalls gerne am Hausberg der Wiener:innen auf. Teils sogar mit paramilitärischer Unterstützung: Im Jahr 2020 etwa wurde der Ordnerdienst von der paramilitärischen slowakischen Nationalistenorganisation “Slovenskí Branci” (SB, deutsch Slowakische Rekruten) besorgt. Hier könnt ihr meinen Bericht von diesem Aufmarsch lesen.
Tödliche Gefahr
Wie gefährlich diese rechte Aufladung, hat sich bereits mehrmals gezeigt. So nannte etwa der norwegische Rechtsterrorist und Massenmörder Anders B. sein vor der Tat veröffentlichtes Pamphlet „2083 – Eine europäische Unabhängigkeitserklärung“. Er bezog sich also direkt auf die Schlacht um Wien, bevor er im Juli 2011 insgesamt 77 Menschen ermordete, die meisten von ihnen sozialistische Jugendliche.
Auch der Nazi-Attentäter B.T. bezog sich direkt auf die Schlacht um Wien. Er ermordete 2019 bei Anschlägen auf zwei Moscheen im neuseeländischen Christchurch insgesamt 51 Menschen. Auf seine Waffe hatte er unter anderem die Worte „Vienna 1683“ geschrieben und im Vorfeld der Tat Österreich besucht. Er hatte auch mehrmals Geld an Identitären-Gesicht Martin Sellner und an die Identitären gespendet. Meine Recherche dazu könnt ihr hier lesen.
Am Weg nach Großungarn
Nach eigenen Angaben ist das MCC inzwischen der größte außerschulische Bildungsanbieter „im Karpatenbecken“. Die seltsame Beschreibung ist vermutlich kein Zufall. Denn der Großteil dieses Beckens liegt zwar in Ungarn – in Österreich ist die Region als pannonische Tiefebene bekannt ist. Doch auch Teile von Kroatien, Rumänien, Slowenien, Serbien sowie der Ukraine gehören zur Tiefebene. Dazu kommen Teile des österreichischen Burgenlands sowie der Rand des Wiener Beckens.
In vielen dieser Gebiete leben ungarische Minderheiten, die ungarische Rechte erhebt immer wieder historische Gebietsansprüche. Der ungarische Premierminister Orbán selbst tritt regelmäßig auf einer sogenannten „Sommeruniversität“ im rumänischen Siebenbürgen auf, dort hält er dann eine Grundsatzrede vor Vertreter:innen der ungarischen Minderheit.
Im Juli 2023 verlautbarte Orbán auf der „Sommeruniversität“, er würde die entsprechenden Gebiete nicht als „rumänische territoriale Einheiten“ sehen. Zur Slowakei erklärte Orbán, diese sei nach dem Ersten Weltkrieg von Ungarn „abgetrennt“ worden, wie die FAZ berichtet (€ Paywall). Es darf also vermutet werden, dass der Begriff „Karpatenbecken“ im Mission Statement der MCC kein Zufall ist.
Für die MCC ist der Kahlenberg ein Geschenk
Der Kahlenberg mit seiner rechts-christlichen Aufladung ist für Viktor Orbán und das MCC enorm wertvoll. Es ist vermutlich nur eine Frage der Zeit, bis symbolisch aufgeladene Bilder von internationalen rechten Konferenzen vom Kahlenberg in die Welt gehen.
Für die ÖVP ist das alles offenbar kein Problem. Und die ÖVP-gesteuerte Wirtschaftskammer ist ja sogar finanziell beteiligt. Was dabei beachtlich ist: Die Kammer ist eine Körperschaft öffentlichen Rechts, alle Unternehmer:innen müssen dort Mitglied sein. Und damit beteiligen sich auch alle Wiener Unternehmer:innen zwangsweise an der Zusammenarbeit mit dem Orbán-Think Tank.
Und Ex-ÖVP-Ministerin Köstinger? Die meint sogar, es gäbe „großes Potenzial“ durch den neuen Mehrheitseigentümer MCC. Sie wolle jetzt mit ihren Erfahrungen und ihrem Netzwerk „einen erheblichen Beitrag“ zur Weiterentwicklung leisten. Es könnte eine gefährliche Drohung sein.
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