Die Straßenbahnlinie 25 in die Wiener Seestadt war bereits ab 2013 vorgesehen. Doch der Bau wurde immer wieder verschoben. Jetzt heißt es sogar: Zuerst wird die Stadtautobahn gebaut. Das Protokoll einer Verzögerung.

Rund zehn Jahre alt ist der Eintrag auf der Homepage der Stadt Wien inzwischen. Die neue Straßenbahnlinie 25 würde „nach 2013 abhängig von der Stadtentwicklung in der Seestadt Aspern schrittweise weiter verlängert“. Die Linie 25 würde dann gemeinsam mit der Linie 26 „einen unverzichtbaren Bestandteil des zukünftigen öffentlichen Verkehrsnetzes nördlich der Donau“ darstellen.

Auf den Seiten der Stadt Wien wurde diese Ankündigung schon lange gelöscht. Doch über spezielle Archiv-Seiten ist der Eintrag bis heute zu finden. Datum der Sicherung: Der 16. Jänner 2012. Bis heute, mehr als zehn Jahre danach, wurde mit dem Bau der Straßenbahn noch nicht einmal begonnen. Obwohl die Stadt bereits damals von der Linie 25 als einem „unverzichtbaren Bestandteil des zukünftigen öffentlichen Verkehrsnetzes nördlich der Donau“ geschrieben hatte.

Die Ankündigung der Stadt Wien aus dem Jahr 2012

Dieses Protokoll wird zeigen, wie die Stadt Wien den Bau der Straßenbahnlinie 25 immer wieder verzögert hat. Dass bis heute nicht klar ist, wann die Linie 25 nun tatsächlich gebaut werden wird. Und wie die Stadt inzwischen den Ausbau der Straßenbahn propagandistisch für den Bau der sogenannten Stadtstraße in der Wiener Donaustadt benützt.

Eine Stadt wird aus dem Boden gestampft

Mit der Seestadt Aspern entsteht im Norden von Wien eine eigene kleine Stadt. Rund 240 Hektar soll das Areal laut Stadt Wien umfassen – so groß wie der gesamte erste Bezirk. Mehr als 25.000 Menschen sollen im Endausbau in der Seestadt leben, dazu kommen mehr als 20.000 Arbeits- und Ausbildungsplätze.

Früher war hier ein Flughafen, damit ist das große und unbebaute Areal im 22. Bezirk, der Donaustadt, für diesen umfangreichen Ausbau gut geeignet. Doch mit Beginn der Planungen musste eine entscheidende Frage beantwortet werden: Die Anbindung an den öffentlichen Verkehr und an das Straßennetz.

Die Seestadt Aspern. Bild: Nina Nadeschda

Die Stadt trifft also eine strategische Entscheidung: Die U2 wird bereits in einem sehr frühen Ausbau-Stadium in die Seestadt verlängert. Die Wiener Linien erklären das damit, dass die Menschen damit gleich von Beginn an einen Zugang zur U-Bahn hätten.

Die U-Bahn allein ist zu wenig

Eine kluge Entscheidung: Wer sofort Zugang zu hochrangigen öffentlichen Verkehrsmitteln hat, wird weniger Bedarf für ein Auto sehen. Doch gleichzeitig ist offensichtlich: Die U2 ins Zentrum kann nicht reichen, um den Bedarf an Öffis zu decken. Erinnern wir uns noch einmal an die Relationen: Das Areal ist so groß wie der gesamte erste Bezirk.

Notwendig sind also zusätzlich Busse und vor allem Straßenbahn-Linien. Einerseits, um die Seestadt intern zu erschließen. Andererseits, um das Stadtentwicklungsgebiet mit den umliegenden Bezirken und Regionen zu verbinden. Denn hier geht es um richtig viele Menschen: Allein in den beiden „transdanubischen“ Wiener Bezirken Floridsdorf und Donaustadt leben über 370.000 Menschen. Das Umland in Niederösterreich ist da noch gar nicht eingerechnet.

Eine fatale Entscheidung

Damit leben in Transdanubien deutlich mehr Menschen als in Graz, der zweitgrößten Stadt des Landes. Doch dann trifft die Stadt Wien eine fatale Entscheidung: Bis heute gibt es keine einzige Straßenbahn, die in den bereits bewohnten Teil der Seestadt fährt. Und die Verlängerung der Straßenbahnlinie 25 wird immer weiter nach hinten geschoben.

Die ehemals besetzte Baustelle der Stadtautobahn in Wien-Donaustadt. Bild: Michael Bonvalot

Doch gerade der neue 25er wäre besonders wichtig: Denn diese Linie würde von der Seestadt quer durch die Donaustadt bis in den 21. Bezirk, Floridsdorf, fahren. Damit würde sie die Seestadt im Donaustädter Bezirkszentrum Kagran mit der U1 und dann in Floridsdorf mit der U6 und der Schnellbahn verbinden. Dazu käme die Anbindung an zahlreiche Straßenbahn- und Buslinien.

„Bis 2015 doch noch realisiert“

Die Aussagen auf der Seite der Stadt Wien aus dem Jahr 2012 waren allerdings tatsächlich noch etwas unbestimmt gewesen. „Ab 2013“ lässt viele Möglichkeiten offen. Doch im November 2012 erscheint auch ein Artikel in der Donaustädter Bezirkszeitung, den die grüne Gemeinderätin Heidi Sequenz getwittert hat. Berichtet wird von einer Sitzung der Wiener Stadtentwicklungskomission. Die Pläne zur Verlängerung des 25ers gäbe es seit Langem, heißt es, doch nun würde es so aussehen, „als würde dieses Projekt bis 2015 doch noch realisiert werden“.

Gegen das Projekt hätte nur der FPÖ-Gemeinderat Toni Mahdalik gestimmt. Dafür wird er vom damaligen Bezirksvorsteher der Donaustadt, Norbert Scheed (SPÖ), scharf kritisiert: „Scheinbar sind der FPÖ aber die Menschen im 22. Bezirk und die zukünftigen Entwicklungsachsen des öffentlichen Verkehrs egal“, zitiert die Bezirkszeitung den inzwischen verstorbenen SPÖ-Politiker.

Zwei Jahre später, im November 2014 findet sich dann eine weitere Festlegung im Standard: Die Planungen für die Verlängerung der Linie 25 seien großteils „auf Schiene“, einzig die endgültige Trassenführung im alten Asperner Ortskern sei noch nicht entschieden. Nur gab es offenbar Verzögerungen.

Jetzt soll die neue Straßenbahn 25 erst im Jahr 2019 vom Süden in die Seestadt fahren. Dem Artikel im Standard ist leider nicht zu entnehmen, wer hier konkret zitiert wird. Heute aber, im Jahr 2022, müsste die Straßenbahn damit bereits seit drei Jahren fertig sein. Doch danach herrscht wieder Funkstille.

Im Februar 2016 berichtet die APA allerdings von Unstimmigkeiten in der damaligen rot-grünen Koalition in Wien. Der grüne Gemeinderat Rüdiger Maresch fürchtet, dass das gemeinsam beschlossene Öffi-Ausbaupaket nicht umgesetzt würde – und nennt dabei auch konkret die Verlängerung des 25ers. Doch eine Sprecherin der damaligen Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) beruhigt gegenüber der APA: „Wir können überhaupt nicht nachvollziehen, woher die Zweifel am Ausbauprogramm kommen.“ Dann passiert erneut lange nichts.

Jetzt ist es 2022

Erst im Mai 2019, drei Jahre später, geht die Stadt Wien mit einer eindeutigen Ankündigung an die Öffentlichkeit. Im Mai 2019 findet sich ein neuer Artikel zu den Wiener Straßenbahn-Projekten auf der Homepage der Stadt. Und jetzt wird es sehr konkret. Denn es finden sich konkrete Jahreszahlen zu den verschiedenen Projekten.

Wörtlich heißt es im Artikel: „Ab 2022: Die Linie 25 wird durch die Seestadt Aspern bis zur Station Aspern Nord (U2, S-Bahn) verlängert, um alle Teile der Seestadt optimal anzubinden.“ Auch dieser Artikel ist heute auf der Homepage der Stadt Wien nicht mehr zu finden. Doch auch dieser Artikel kann über spezielle Archiv-Seiten bis heute gefunden werden.

Mit einem Baubeginn 2022 wären zwar neun Jahre ab dem ursprünglich geplanten Baubeginn „ab 2013“ vergangen. Aber okay, nun gibt es zumindest eine ganz konkrete Festlegung. Doch wieder passiert nichts.

Jetzt ist es 2024

Knapp ein Jahr später, im September 2020 findet sich ein weiterer Artikel auf den Seiten der Stadt zu den nächsten Straßenbahnplänen. Und nun heißt es: „Ab 2024: Die Straßenbahnlinie 25 wird durch die aspern Seestadt bis zur Station Aspern Nord (U2, S-Bahn) verlängert.“ Und nochmals wird erklärt, warum der neue 25er so wichtig ist. Mit dieser Linie „sollen alle Teile der Seestadt optimal angebunden und das neue Stadtteilzentrum in der Seestadt mit den umliegenden Gebieten verbunden werden.“

Gelöschter Eintrag auf der Seite der Stadt Wien

2024 also. Die Errichtung ist auf einmal stillschweigend um weitere zwei Jahre nach hinten verschoben worden. Auch dieser Artikel findet sich, erraten, heute nicht mehr auf der Seite der Stadt. Auch dieser Artikel ist auf Archiv-Seiten weiter gespeichert.

Jetzt ist es 2026. Oder doch nicht.

Eine weitere Suche auf den Seiten der Stadt Wien bringt dann tatsächlich einen Artikel, der noch nicht gelöscht worden ist. Der aktuelle Stand laut diesem Artikel: „Ab 2026: Die Straßenbahnlinie 25 wird durch die aspern Seestadt bis zur Station Aspern Nord (U2, S-Bahn) verlängert.“ Weitere zwei Jahre Verzögerung. Wieder stillschweigend und ohne jede Erklärung. Doch nicht einmal das Jahr 2026 ist inzwischen mehr aktuell, wie wir sehen werden.

Die ehemals besetzte Baustelle für die Stadtautobahn, im Hintergrund die U2 Station Hausfeldstraße. Bild: Michael Bonvalot

Mitte Dezember 2021 verkündet Planungsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) per Aussendung zwar noch ein großes Öffi-Paket. Doch zum geplanten 25er heißt es in der Aussendung nur noch lapidar: „Die Straßenbahnlinie 25 wird je nach Fortschritt der Stadtentwicklung Seestadt Nord bis zur Station Aspern Nord verlängert.“ Baubeginn wird – im Gegensatz zu anderen Linien – in der Aussendung keiner mehr genannt.

Auf einmal kommt die Stadtautobahn ins Spiel

Politisch ist inzwischen einiges passiert. Vor allem hat sich der öffentliche Wind gedreht, was die in der Donaustadt geplanten Autobahnprojekte Stadtstraße und Lobautunnel betrifft. Am 1. Dezember 2021 hatte Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) das Aus für den Lobautunnel verkündet. Für Autobahnen ist der Bund zuständig, damit kann das Verkehrsministerium hier entscheiden.

Bereits zuvor hatten linke Klimaaktivist*innen die Initiative ergriffen: Im September 2021 besetzen sie mehrere geplante Baustellen für die Stadtautobahn. Das Camp neben der U2 Station Hausfeldstraße wird nach einer mehrmonatigen Besetzung am 1. Februar 2022 durch ein enormes Polizeiaufgebot geräumt. Hier könnt ihr meine Reportage von der Räumung lesen. Das Camp in der Hirschstettner Straße 44 wird dann am 5. April ebenfalls geräumt, wiederum durch mehrere hundert Polizist*innen. Ein weiteres Camp steht weiterhin.

Unterstützt werden die Aktivist*innen von Gruppen wie System Change not Climate Change, dem Jugendrat oder Fridays for Future sowie von lokalen Initiativen wie „Hirschstetten retten“. Der gleichnamige Donaustädter Bezirksteil Hirschstetten wäre von der Stadtautobahn besonders betroffen. Dazu erscheinen immer mehr kritische Artikel in verschiedenen Medien.

Erst die Autobahn, dann die Straßenbahn

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Und jetzt verändert die Stadt Wien auf einmal das „Wording“, also die Sprachregelung, für die Straßenbahn 25. Im November 2021 schreibt die zuständige Magistratsabteilung 18 an einen interessierten Bürger: Die Verlängerung der Straßenbahnlinie 25 sei „erst nach Fertigstellung der Stadtstraße Aspern geplant“. Das Mail liegt mir vor.

Bild: Michael Bonvalot

Nun verbindet die Stadt Wien den Bau der Straßenbahn also offiziell mit dem Bau der sogenannten Stadtstraße, einer autobahnartig ausgebauten Straße quer durch die Donaustadt. Und die Stadt Wien hat sich entschieden: Zuerst kommt die Autobahn, dann die Straßenbahn.

Es scheint, als wolle die Stadt Stimmung für die Stadtautobahn machen, indem sie den Ausbau der Öffis vom Straßenbau abhängig macht. Bereits im Dezember 2021 hatte ich zu dieser Mail der Stadt eine Anfrage gestellt – und niemals eine Antwort erhalten.

Jetzt ist es 2027. Oder 2028. Vielleicht.

Inzwischen wird der Zusammenhang aber auch ganz offiziell bestätigt. Und jetzt antwortet die Stadt auch offiziell. Die Errichtung der Linie 25 würde „vom Bau der Stadtstraße“ abhängen, schreibt auf meine Anfrage Sophia Schönecker, Sprecherin von Planungsstadträtin Ulli Sima (SPÖ). Die neue Straßenbahn könne erst „nach der Stadtstraße errichtet werden“, heißt es. Das bekräftigt Sima nochmals im Dezember 2023 gegenüber der Krone.

Die Straßenbahn soll also erst gebaut werden, wenn die Stadtautobahn bereits völlig fertig errichtet ist. Wann es so weit sein wird? „Derzeit wäre die Errichtung ab 2027 geplant“, so Schönecker. Eine fixe Festlegung klingt anders. Und das ist, wohlgemerkt, erst der Beginn der Bauarbeiten. Besonders pikant: Das ist erneut ein Jahr später, als die Stadt selbst aktuell auf ihrer Homepage schreibt. Dort heißt es eben bis heute: „Ab 2026“.

Und möglicherweise wird es sogar noch später: Aus dem Büro des Donaustädter Bezirksvorstehers Ernst Nevrivy (SPÖ) schreibt mir eine Sprecherin, Nevrivy würde „noch immer“ meinen, dass 2028 hält. Es klingt nicht sehr überzeugt. Erst auf meine Nachfrage heißt es: 2028 sei „freilich fix“.

Die Stadt Wien spricht also aktuell von 2027 – allerdings im Konjunktiv. Die Donaustadt von 2028. Wir erinnern uns: Ursprünglich hatte es geheißen, die Linie würde „ab 2013″verlängert werden. Bereits bis jetzt ergibt das somit eine Verzögerung von 15 Jahren.  Und die Donaustädter SPÖ hatte schon im Jahr 2012 die FPÖ dafür gerügt, sich bei der Verlängerung bis 2015 querzulegen.

Um 180 Grad

Spannend auch die Erklärungen, die seitens der Stadt Wien abgegeben werden. Gegenüber dem Falter Morgenmail sagt ein Sprecher von Stadträtin Sima Anfang Februar: Die Linie 25 solle den Nordwesten der Seestadt erschließen und eine Anbindung zu dortigen Wohnungen, Arbeitsplätzen und Einkaufsmöglichkeiten bieten. Solange dieser Teil der Seestadt aber nicht ausreichend entwickelt ist, bliebe das „Fahrgastpotenzial“ für eine solche Straßenbahnverbindung zu gering.

Bereits jetzt wohnen tausende Menschen in der Seestadt. Bild: Bild: Nina Nadeschda

Doch bei der Verlängerung der U2 hatte die Stadt Wien selbst die genau gegenteilige Argumentation gebracht. Da wurde die U-Bahn „bereits vor der Besiedelung des Stadtentwicklungsgebietes“ errichtet, wie mir die Stadtrats-Sprecherin lobend schreibt. Die Überlegung dahinter?

So stehen Öffis bereits zur Verfügung, wenn die Menschen einziehen. Damit gibt es für fast niemanden eine Notwendigkeit für einen privaten PKW. Dieses Argument war im Fall der U2  absolut schlüssig – es wäre allerdings bei der Straßenbahn genauso schlüssig.

Auf Sand gebaut

Ein weiteres Argument aus dem Stadtratsbüro ist bestenfalls irritierend: Der Eingriff eines Bim-Ausbaus würde den Verkehr innerhalb der Seestadt zeitweise massiv einschränken, zitiert der Falter.

Der westliche Teil der künftigen Seestadt am 5. April 2022. Bild: Michael Bonvalot

Doch laut Planungsunterlagen sollen die Gleise der Linie 25 im künftigen westlichen Teil der Seestadt verlaufen. Und dieses Gebiet besteht derzeit weitgehend aus einer großen Fläche voller Sand, Steinen und Gras. Wer hier eingeschränkt würde? Es bleibt im Dunkeln.

Die Linie 25 endet derzeit bei der Station Oberdorfstraße. Das ist mitten in der Pampa, wie die Wiener*innen sagen. Gleich daneben ist der Friedhof Aspern, das darf durchaus als Sinnbild verstanden werden. Der 25er müsste nur um wenige Kilometer verlängert werden – großteils über unbebautes Gelände – und könnte in der Seestadt tausende Haushalte an hochrangige Verkehrsverbindungen anbinden. Und dennoch herrscht seit Jahren Stillstand.

Zumindest die Straßenbahnlinie 27 wird jetzt mit 6 neuen Haltestellen ausgebaut: Ende 2025 soll diese Verlängerung der bisherigen Linie 26 bis zur U2-Station Aspern Nord fertig werden. Der neue 27er wird dann Teile der Seestadt sowie das neue Stadterweiterungsgebiet Beeresgasse mit der U1 und der U6 verknüpfen. Doch der 25er liegt weiter auf Eis.

Die aktuelle Endhaltestelle des 25ers. Bild: Michael Bonvalot

Während beim Bau der Straßenbahn 25 also inzwischen viele Jahre ohne Fortschritte vergangen sind, macht die Stadt enormen Druck für den Ausbau der Stadtstraße und des nahe gelegenen Lobautunnels. Die Stadtstraße, besser Stadtautobahn, ist dabei als Verbindungsstück zwischen dem Lobautunnel und der A 23, der Wiener Südosttangente, geplant.

Eine Straße ins Nirgendwo

Der Tunnel ist Teil der Außenringautobahn, die Tangente verläuft quer durch Wien – mit der Verbindung würde also noch mehr Verkehr in die Stadt gezogen. Und nur mit der Funktion als Verbindungsstück zwischen diesen beiden Autobahnen erklärt sich auch der autobahnartige Ausbau der Stadtstraße: „Rund zur Hälfte untertunnelt, hat Lärmschutzwände, die restliche Strecke ist 2-3 Meter tiefer gelegt“, wie es auf einer eigens eingerichteten Werbeseite der Stadt heißt. Straßen sehen in Wien typischerweise etwas anders aus.

Spätestens mit dem Stopp des Lobautunnels aber ist die Stadtstraße eine völlig überdimensionierte Verbindungsstraße zwischen zwei Autobahnen, „die es so nicht mehr gibt“, wie Michael Schwendinger, Experte des Verkehrsclub Österrreich (VCÖ), gegenüber der APA ausführt.

Klima-Aktivist*innen und Anwohner*innen demonstrieren in Wien-Hirschstetten gegen Stadtautobahn und Lobautunnel. Bild: Michael Bonvalot

Unbestritten ist, dass die Seestadt selbst mit einer perfekten Verbindung durch mehrere Straßenbahnen und Busse auch eine Straßenanbindung brauchen wird. Benötigt würde sie etwa für Rettungsdienste, Lieferverkehr oder für die wenigen Menschen, die tatsächlich alternativlos auf das Auto angewiesen sind – etwa, weil sie mitten in der Nacht arbeiten. Doch dazu ist der autobahnartige Ausbau offensichtlich nicht notwendig. Dazu reicht eine ganz normale Straße, wie es sie in Wien tausendfach gibt.

Enorme Kosten

Kosten wird die Stadtautobahn die Wiener*innen nach aktuellen Berechnungen rund 460 Millionen Euro. Die Erfahrungen vergangener Straßenbauprojekte zeigen: Am Schluss könnte es nochmals deutlich teurer werden. Für die jetzt angekündigten 460 Millionen gibt es laut Stadt Wien 3,2 Kilometer Stadtstraße. Zum Vergleich: Die Wiener Verkehrsexpertin Barbara Laa sagt mir, dass ein Kilometer Straßenbahn in Wien „derzeit grob gerechnet cirka 20 Millionen Euro kostet“.

Allein mit dem Geld, das die Stadt Wien für rund drei Kilometer Stadtautobahn ausgeben will, könnten in der Donaustadt somit 20 bis 30 Kilometer Straßenbahn gebaut werden, wie die Wissenschaftlerin vorrechnet. Doch die Stadt Wien hat anders entschieden: Nicht nur soll die enorm teure Stadtautobahn umgesetzt werden – sie bekommt auch noch Priorität vor dem Ausbau der Straßenbahn.

Die Donaustadt sei bereits heute „ausgezeichnet durch den öffentlichen Verkehr erschlossen“, heißt es aus dem Stadtratsbüro. Wer schon einmal in den äußeren Teilen des 22. Bezirks war, könnte das deutlich anders sehen. Ebenfalls anders sehen könnten das die derzeitigen und künftigen Bewohner*innen der Seestadt. Sie warten immerhin seit 2013 auf den Ausbau der Linie 25.

Bis wann sie noch warten müssen? Vielleicht ist es ja Ende dieses Jahrzehnts tatsächlich so weit. Doch es gibt das alte Sprichwort, dass Prognosen sehr schwierig wären, wenn sie die Zukunft betreffen. Für die Straßenbahnlinie 25 gilt das offensichtlich ganz besonders.

Update: Im Dezember 2023 schreibt der ORF Wien, die Errichtung der Straßenbahnlinie 25 würde „in ferner Zukunft“ liegen.

Dieser Artikel wurde mehrmals aktualisiert, zuletzt am 20.12.2023.

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