Nach der linken Demo vor dem EKH griffen Faschisten am Freitag linke DemonstrantInnen mit Stöcken an. Mindestens ein Faschist war mit einem Messer bewaffnet. Ich war live vor Ort – hier könnt ihr lesen, was passiert ist.

Mehrere hundert kurdische, türkische und österreichische Linke haben sich am Freitagnachmittag vor dem linken Zentrum Ernst-Kirchweger-Haus (EKH) in Wien-Favoriten zu einer Protestdemonstration versammelt. Es war eine Reaktion auf die Angriffe von faschistischen Grauen Wölfen auf das Haus und auf linke AktivistInnen in den vergangenen Tagen. (Hier könnt ihr über die faschistischen Attacken am Mittwoch lesen. Hier könnt ihr alles über den Angriff auf das EKH am Donnerstag lesen.)

Trotz zeitweise strömenden Regen war die Stimmung auf der Kundgebung vor dem EKH, die um 18 Uhr begonnen hatte, ebenso lautstark wie kämpferisch. Immer wieder ertönten Sprechchöre auf Deutsch und Türkisch. Gerufen wurde etwa „Schulter an Schulter gegen Faschismus – Faşizme Karşı Omuz Omuza“ oder „Alle zusammen gegen den Faschismus“.

Gegen Ende der Kundgebung wurden schließlich revolutionäre kurdische Lieder gespielt, immer mehr Menschen begannen, zu tanzen.

Gegen 20 Uhr wurde die Kundgebung dann beendet, die AktivistInnen wollten mit einer kurzen Demonstration zur nahe gelegenen U-Bahn Station Keplerplatz. Tatsächlich aber begann zu diesem Zeitpunkt ein langer Abend …

Erste faschistische Provokationen

Denn unmittelbar nach dem Start der Demo provozierte eine kleine Gruppe von Faschisten, die zuvor unbemerkt am Rand der Kundgebung gestanden waren. Mit faschistischen Wolfsgrüßen zeigten sie ihre eindeutige Gesinnung. Laut einer neben mir stehenden Augenzeugin flog aus dieser Gruppe auch mindestens ein Gegenstand auf die linke Demonstration.

Diese kleine Gruppe ergriff allerdings sehr schnell die Flucht, als linke AktivistInnen in ihre Richtung zu laufen begannen. Auch verschiedene Wurfgegenstände, Pyrotechnik und Böller flogen in Richtung der Faschisten und danach auch in Richtung Polizei, die vor den Faschisten Stellung bezog. Die Polizeitaktik in dieser Situation wirkte allerdings, freundlich formuliert, dubios.

Einerseits zogen zahlreiche PolizistInnen sofort eine Sperrkette. Dabei konnte ich auch wahrnehmen, dass mindestens ein Antifaschist von der Polizei festgehalten wurde. Ob der Mann verhaftet wurde, war für mich nicht ersichtlich. Andererseits konnten die Faschisten hinter der Polizeikette erneut provozieren – obwohl es ein Leichtes gewesen wäre, sie zu verweisen und damit die Situation zu entspannen.

Der nächste Konfliktherd

Während die Situation an dieser Stelle also bereits enorm aufgehetzt war, entwickelte sich in unmittelbarer Nähe ein weiterer Konfliktherd. Rund 30 junge Faschisten blockierten die Gudrunstraße und damit die geplante Route der Demo zur U-Bahn-Station. Mindestens einer der Faschisten trug dabei offen ein Messer, entsprechende Bilder liegen mir vor.

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Politisch und sozial zeigte sich auf Seite der extremen Rechten wieder das gleiche Milieu wie bereits bei den Angriffen der vergangenen Tage. Seit mehreren Jahren kann ein Zusammenrücken der extrem rechten nationalistischen und religiösen Milieus in der Türkei beobachtet werden. Ausdruck dieser Zusammenarbeit ist die enge Kooperation zwischen der faschistischen MHP/Graue Wölfe und der Regierungspartei AKP von Präsident Recep Tayyip Erdoğan. Und dieses Mischmilieu zeigt sich nun auch bei den Protesten in Wien.

Wolfsgrüße und religiöse Parolen

Durchgehend junge Männer, die einerseits den Wolfsgruß zeigen, andererseits aber auch religiöse und Pro- Erdoğan-Parolen brüllen. (Hier könnt ihr meine Analyse über den Einfluss der Grauen Wölfe in Österreich lesen.) Genau das war auch die Situation auf der Gudrunstraße – und diese Gruppe bekam plötzlich enorme Verstärkung.

Völlig unvermittelt bewegte sich auf einmal eine Gruppe von bis zu hundert jungen Faschisten vom Reumannplatz kommend und im Laufschritt auf die Gudrunstraße zu. Auch die Polizei war davon offensichtlich völlig überrascht und musste erst ihre Kräfte neu sortieren. Woher diese Gruppe kam, ist unklar.

Es gibt allerdings Gerüchte und auch Indizien, dass die Wölfe für den heutigen Freitag bundesweit mobilisiert hatten. Auf Twitter schreibt ein User dazu: „Ich sitz mit einem ganzen Arsch voll grauer Wölfe im Railjet“. Als er in Linz in den Zug gestiegen wäre, wäre die Gruppe bereits im Zug gesessen, einige hätten mit deutschem Dialekt gesprochen. Es hätte sich dabei um den Zug gehandelt, der um 18.36 am Hauptbahnhof angekommen war.

Doppelte Gefahr

Hier rückte die Polizei schließlich langsam vor und trieb damit diese Gruppe zurück Richtung Reumannplatz. Unterdessen war die Stimmung bei der antifaschistischen Demonstration weiterhin ziemlich angespannt. „Wir stehen vor der Gefahr eines faschistischen Angriffs auf die Demo. Und gleichzeitig ist auch unklar, ob die Polizei die Demo angreifen wird“, sagte mir ein Aktivist zu diesem Zeitpunkt.

Ab ca. 21.30 Uhr zog die internationalistische Demonstration schließlich durch das Sonnwendviertel Richtung Hauptbahnhof. Kurz nach Beginn gab es hier allerdings ebenfalls einen weiteren Zwischenfall, als die Polizei einen Antifaschisten verhaftete.

Diese Demonstration mit mehreren hundert Menschen zog dann lautstark durch Favoriten zum Hauptbahnhof.

Am Schluss der Demonstration setzte die Polizei allerdings nochmals eine taktische Entscheidung, die – völlig erwartbar – fatale Folgen haben sollte. Durch den Lautsprecherwagen der Polizei wurde verkündet, dass das Verlassen der Demonstration Richtung Hauptbahnhof nur in Gruppen von höchstens zehn Personen gestattet sei.

Völlig absurde Taktik

Entsprechend wurde den DemonstrantInnen dann nur in Kleingruppen der Abzug ermöglicht. Bereits zu diesem Zeitpunkt schrieb ich auf Twitter: „Im Angesicht der akuten Gefährdung durch Faschisten ist das komplett absurd.“

Und genau diese Gefährdungseinschätzung sollte sich bereits kurz danach bestätigen. Mit Stöcken attackierten Faschisten in der U-Bahn Station Hauptbahnhof eine kleinere Gruppe von linken AktivistInnen. Mehrere Augenzeugen haben mir das unabhängig voneinander bestätigt. Ich war kurz danach in der Station, der Boden war zu diesem Zeitpunkt auch mit Scherben übersät.

Mindestens ein linker Aktivist wurde bei diesem Angriff der Faschisten verletzt. Die angegriffenen AntifaschistInnen setzten sich allerdings zur Wehr. Ein Augenzeuge sagt mir, dass die Faschisten „einiges abbekamen“. Die Polizei traf erst ein, als alles vorbei war.

Spätabends sammelten sich dann, wie schon in den Tagen davor, wieder Faschisten im Wielandpark, der in unmittelbarer Nähe zum EKH liegt. Im Haus selbst waren zu diesem Zeitpunkt allerdings auch dutzende linke AktivistInnen, die bereit waren, das Zentrum zu verteidigen. Ich selbst war ebenfalls noch kurz vor Ort. Gegen Mitternacht beruhigte sich die Lage schließlich.

Die Organisatoren der internationalistischen Kundgebung kündigen unterdessen weitere Proteste an. Bereits für Samstag um 17 Uhr 30 ist eine Demonstration am Columbusplatz in Favoriten geplant. Eine Aktivistin sagt im Gespräch mit mir: „Wir werden einen langen Atem brauchen. Doch eines ist klar: Wir werden die Faschisten aus Wien-Favoriten vertreiben.“

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